Flut: Roman (German Edition)
Auf dem metallartigen grauen Kunststoffmaterial schimmerte frisches Blut – und etwas von der ungefähren Größe und Form einer Knopfbatterie. Benedikt stieß hörbar die Luft zwischen den Zähnen aus und legte das Messer ins Gras. Die Wunde in seinem Arm begann heftiger zu bluten, als er die Faust öffnete und den Muskel entspannte.
»Da haben wir den Verräter«, sagte er. Es sollte wohl scherzhaft klingen, aber das tat es nicht.
»Moment mal!«, sagte Rachel. Sie beugte sich vor, neugierig und angeekelt zugleich. »Du meinst, dieses … Ding ist eine Wanze?«
»Das Wort Peilsender wäre mir lieber«, sagte Benedikt. »Vor allem, wenn man bedenkt, wo es bis jetzt war.«
»Aber das ist doch nicht möglich«, murmelte Rachel.
»Du hast es doch selbst gesagt«, gab Benedikt zurück. Er nahm einen der Stoffstreifen zur Hand, die er gerade aus seinem Hemd gerissen hatte, und begann sich selbst zu verbinden. »Sogar du weißt, wie klein man die Dinger heute bauen kann.«
»Aber wie bist du auf die Idee gekommen?«
»Frag lieber, wieso ich nicht gleich und von selbst darauf gekommen bin«, antwortete Benedikt. Er klang leicht verärgert. »Es war die einzige Möglichkeit. Kleider und Schuhe kann man wechseln oder auch verlieren. Aber dass einem ein Arm abhanden kommt, passiert zumindest nicht, ohne dass man es bemerkt.«
Er sprach langsam und schleppend und manchmal mit großen Pausen zwischen den Worten. Er ging schnell und sichtbar routiniert dabei zu Werke, sich selbst zu verbinden, aber er hatte offenkundig große Schmerzen. Rachel wäre nicht besonders erstaunt gewesen, wenn er im nächsten Moment in Ohnmacht gefallen wäre.
»Und du hast auch nicht gemerkt, dass man dir dieses Ding eingesetzt hat?«
»Natürlich habe ich es gemerkt«, antwortete Benedikt ruppig. Er griff nach einem weiteren Stoffstreifen, musste aber einen Moment innehalten, um neue Kraft zu schöpfen.
»Vor einem Jahr«, fuhr er nach ein paar Sekunden fort. »Ein Auftrag im Sudan, nicht nur mitten im Kriegsgebiet, sondern auch in einer der ergiebigsten Gegenden Afrikas, wenn es darum geht, sich alle möglichen exotischen Krankheiten zu holen. Wusstest du, dass mehr Söldner an Krankheiten und Infektionen sterben als durch Gewalt?«
»Nein.« Es interessierte sie auch nicht. Sie wollte nichts von dem hören, womit er sein Leben bisher verbracht hatte.
»Es ist aber so. Diese Dinger enthalten ein starkes Breitband-Antibiotikum. Ein Depot, das im Körper eingepflanzt und durch eine supermoderne Miniatur-Elektronik erst im Bedarfsfall aktiviert wird.«
Das klang in Rachels Ohren ziemlich nach Sciencefiction, aber sie sagte nichts dazu. Die Vorstellung, dass Gottes Strafgericht über die Menschen kam, klang auch nicht gerade glaubhaft.
»Jedenfalls haben sie euch das erzählt.«
»Oh, ich denke schon, dass es stimmt«, antwortete Benedikt. »Vermutlich hat mein Vater nur vergessen, mir zu erzählen, dass dies die XL-Version ist, mit allen serienmäßig eingebauten Extras.«
Er wickelte den letzten Stoffstreifen fester um seinen Oberarm, zog unter Zuhilfenahme von Fingerspitzen und Zähnen den Knoten zusammen und atmete hörbar aus. »Ich habe ja noch Glück gehabt. Sie hätten das Ding schließlich auch in einem anderen Körperteil unterbringen können. Du hast schon Recht, weißt du? Ich hätte es spätestens auf dem Schrottplatz merken müssen. Immerhin bin ich Profi.«
Rachel maß ihn mit einem schrägen Blick und zog es vor, sich weiter auf die technischen Aspekte ihrer kleinen Überraschung zu konzentrieren. Das Gespräch könnte sonst zu leicht in eine Richtung gehen, die ihr nicht nur nicht gefiel, sondern für die jetzt auch wirklich nicht der richtige Moment war.
»Und mit diesem kleinen Ding sollen sie uns angepeilt haben?«, fragte sie zweifelnd.
»Wenn es ein GPS-System ist, auf fünf Meter genau«, sagte Benedikt. »Und wie ich meinen Vater einschätze, ist es das. Pjotr Darkov hat schon immer Wert darauf gelegt, auf dem allerneuesten technischen Stand zu sein. Deshalb lebt er noch.«
»Fünf Meter?«, vergewisserte sich Rachel. Ganz instinktiv sah sie sich in alle Richtungen um.
»Vielleicht sogar nur drei.« Benedikt griff nach dem Messer, ließ das winzige elektronische Wunderwerk auf einen Stein gleiten und drehte die Klinge herum, vermutlich, um den Sender mit dem Messergriff zu zertrümmern.
»Warte!«, sagte Rachel rasch.
Benedikt sah sie fragend an.
»Wenn sie dieses Ding wirklich so genau anpeilen, dann
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