Flut: Roman (German Edition)
einnahm. »Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen alles erklären und alle Ihre Fragen beantworten werde – später. Im Augenblick sind wir leider ziemlich in Eile. Belassen wir es im Moment dabei, dass das meiste von dem, was Darkov Ihnen heute Morgen erzählt hat, der Wahrheit entspricht. Mit dem kleinen Unterschied, dass er nicht der war, für den er sich ausgegeben hat.«
»Ich nehme an, er hat Ihren Namen nur benutzt, um Sie zu ärgern?«, fragte Rachel spöttisch. Sie rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen und bewegte dabei den Kopf hin und her, als hätte sie noch immer Schwierigkeiten zu sehen. Insgeheim versuchte sie sich im Raum umzusehen, um vielleicht Benedikt zu entdecken. Aber er war nicht hier. Entweder hatten sie ihn ins Nebenzimmer gebracht oder schon aus dem Haus.
»Das wäre nicht so schmerzhaft gewesen«, antwortete De Ville mit säuerlicher Miene. »Ich habe schon ein ganzes Röhrchen Aspirin geschluckt, aber mir dröhnt noch immer der Kopf. Darkov hat mir fast den Schädel eingeschlagen.«
Rachel blickte fragend und De Ville nahm einen weiteren Zug aus seiner Zigarette und stand auf. »Also gut, die Kurzfassung«, seufzte er. »Die Regierung Ihres Landes war so großzügig, mich mit Informationen und gewissen Kompetenzen auszustatten. Darkov muss davon erfahren haben. Seine Männer haben mich abgefangen, als ich vorgestern Abend in Rom ins Flugzeug steigen wollte. Ich konnte ihnen entkommen, aber Darkov hat die Zeit genutzt, um meinen Platz einzunehmen.«
»Einfach so?«
»Für einen Mann wie Darkov stellt es kein Problem dar, sich gefälschte Papiere zu besorgen«, sagte De Ville schulterzuckend. »Niemand in Ihrem Land kennt mich persönlich, weder Kommissar Naubach noch die Geheimdienstleute, die mir Ihre Regierung zur Verfügung gestellt hat. Natürlich wäre es nicht lange gut gegangen. Aber er brauchte nur ein paar Stunden. Und beinahe hätte er ja auch Erfolg gehabt.«
Das klang beinahe zu einleuchtend, um Rachel zu überzeugen. Und es machte trotz allem keinen Sinn.
»Sie sind –«, begann sie.
»Mir ist klar, dass Sie mir nicht glauben«, unterbrach sie De Ville. Er lächelte noch immer, aber in seinen Augen war plötzlich ein Ausdruck, der Rachel einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
»Wie meinen Sie das?«, fragte sie.
»Ich weiß, wie Sie zu Benedikt stehen«, sagte De Ville. Er hob die Hand, die die Zigarette hielt. »Auch wenn es Ihnen schwer fällt, es zu glauben, Rachel, aber er hat Sie von der ersten Sekunde an belogen. Das Ganze war ein abgekartetes Spiel.«
»Welchen Sinn sollte das haben?«
»Genau den, zu dem es geführt hat«, antwortete De Ville. »Sie haben sie hierher gebracht, oder?«
»Das war wohl eher dieser Trottel Frank«, mischte sich Uschi ein.
»Aber das konnte Darkov nicht wissen«, sagte De Ville. »Es tut mir wirklich Leid. Ich weiß, was es heißt, wenn man belogen wird, noch dazu von einem Menschen, dem man vertraut hat. Aber es ist die Wahrheit, glauben Sie mir. Er hat Sie von Anfang an benutzt.«
»Das … das ist nicht wahr«, murmelte Rachel. Nicht nach allem, was sie zusammen durchgestanden hatten. Nicht nach dem, was am Wasserfall geschehen war. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein.
»Fragen Sie ihn selbst«, sagte De Ville traurig. »Mir ist klar, dass Sie mir nicht glauben. Ich an Ihrer Stelle würde es vermutlich auch nicht.« Er sah auf die Uhr und wandte sich dann in italienischer Sprache an einen der Bewaffneten. Der Mann antwortete in der gleichen Sprache und De Ville drehte sich wieder zu ihr herum. »Der Wagen ist unterwegs, aber wir haben noch ein paar Minuten.« Er zögerte. »Sind Sie sicher, dass Sie sich das antun wollen?«
»Wo ist er?«, fragte Rachel leise.
De Ville machte eine Kopfbewegung auf die Tür zum Nebenzimmer, hob jedoch abermals abwehrend die Hand, als Rachel aufstand und losgehen wollte. »Sie müssen das nicht«, sagte er noch einmal. »Wir bringen Sie von hier fort. Sie werden ihn niemals wieder sehen, wenn Sie es nicht wollen. Das wäre vielleicht leichter.«
Sie spürte, dass dieser Rat wirklich gut gemeint war und dass er vielleicht sogar Recht hatte. Aber sie war noch nie den leichteren Weg gegangen, nur weil es ihn gab. Ohne ein Wort trat sie um den Tisch herum und ging auf die Tür zu, hinter der sich Uschis winziges Schlafzimmer verbarg. Einer von De Villes Männern stand breitbeinig und mit grimmigem Gesichtsausdruck davor, gab aber den Weg frei, als De Ville eine
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