Flut: Roman (German Edition)
»Aber das ist doch unmöglich«, murmelte sie. »De Ville hat doch gesagt, dass sie tot sei.«
»Gehen wir hinunter und fragen sie«, schlug Benedikt vor.
Sie liefen aus dem Zimmer und dicht hintereinander die steile Holztreppe hinab. Obwohl sie von oben gesehen hatten, dass die Straße vollkommen leer war, zog Benedikt seine Pistole, bevor er dicht vor ihr mit weit ausgreifenden Schritten aus dem Haus stürmte und nach links schwenkte. Rachel folgte ihm, so schnell sie konnte, aber natürlich rannte er viel schneller als sie und erreichte Uschi wenigstens zehn Sekunden vor ihr.
Wahrscheinlich war das auch gut so, denn Rachel sah, wie ihre Freundin noch einen einzelnen, taumelnden Schritt machte und dann zusammenbrach, gerade im richtigen Moment, damit Benedikt die Arme ausstrecken und sie auffangen konnte.
Verzweifelt rannte sie schneller und wäre um ein Haar selbst gestürzt. Sie war so außer Atem, dass sie in den ersten Sekunden kein Wort herausbrachte, sondern Uschi nur verwirrt und zu Tode geängstigt anstarren konnte. Sie bot einen furchtbaren Anblick. Ihre Kleider waren angesengt und ein Teil ihres Haupthaars war verschmort. Sie zitterte am ganzen Leib. Als Benedikt sie jedoch hochheben wollte, wehrte sie seine Hände ganz instinktiv ab und versuchte aus eigener Kraft einen Schritt zu machen.
»Was soll der Unsinn?«, knurrte Benedikt.
Obwohl sie so schwach war, dass sie kaum einen verständlichen Laut hervorbrachte, murmelte Uschi: »Nehmen Sie Ihre Hände von mir, verdammter Kerl. Ich kann allein gehen.«
Das war lächerlich. Benedikt hob jedoch nur die Schultern, ließ sie los und trat einen halben Schritt zurück und Uschi versuchte tatsächlich loszugehen und schaffte immerhin einen halben Meter, bevor sie erneut in die Knie brach. Diesmal wehrte sie sich nicht mehr, als Benedikt sie auffing und aus der gleichen Bewegung heraus so mühelos hochhob, als wäre sie ein kleines Kind.
»Was …«, murmelte Rachel fassungslos. »Uschi! Du lebst!«
»Da wäre ich nicht so sicher«, antwortete Uschi mühsam. »Wo zum Teufel seid ihr gewesen?«
Benedikt drehte sich herum und begann zum Haus zurückzugehen und Rachel trat schnell an seine Seite. Selbst jetzt bereitete es ihr Mühe, mit ihm Schritt zu halten, so schnell, wie er ging. »Wir dachten, du wärst tot«, murmelte sie erneut. »De Ville hat gesagt, dass er gesehen hat, wie du gestorben bist.«
»De Ville.« Uschi hustete qualvoll. »Dieser elende Mistkerl. Ist er bei euch?«
»Nein.«
»Gut«, sagte Uschi. »Ich hoffe, sie haben ihn erwischt.«
Rachel wollte etwas antworten, aber Benedikt ging jetzt noch schneller und rannte fast und sie war ziemlich sicher, dass er es nicht nur tat, um möglichst schnell in die – wenn auch nur eingebildete – Sicherheit des Hauses zurückzukehren. Vielmehr wollte er wohl nicht, dass sie das Gespräch im Moment fortsetzten.
Sie erreichten das Haus. Rachel lief auf eine entsprechende Kopfbewegung Benedikts hin voraus und stieß die Tür zu dem kleinen Schlafzimmer auf, in dem sie Tanja und Johannes Petrus zurückgelassen hatten.
Der Raum war von einem halben Dutzend Kerzen in flackernde rote Helligkeit getaucht. Torben saß auf einem Stuhl direkt neben der Tür und starrte noch immer genauso ins Leere, wie er es die ganze Zeit über getan hatte. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass sie hereinkamen. Tanja lag auf dem alten, aber sehr großen Bett und hatte sich mit geschlossenen Augen auf die Seite gedreht, sie schien zu schlafen; und Frank saß auf der Bettkante auf der ihnen zugewandten Seite und sah erschrocken hoch, als sie hereinstürmten. Er wollte etwas sagen, aber Benedikt lief mit seiner reglosen Last auf den Armen so rasch auf ihn zu, dass er erschrocken aufsprang und zwei Schritte rückwärtsgehend zurückwich. Vermutlich war das auch gut so. Rachel bezweifelte nicht, dass Benedikt ihn einfach zur Seite gefegt hätte, hätte er nicht von sich aus Platz gemacht.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«, murmelte Frank verwirrt.
Weder Benedikt noch Rachel nahmen überhaupt Notiz von ihm. Benedikt lud Uschi behutsam auf dem Bett ab und trat hastig einen Schritt zurück, um Platz für Rachel zu machen, und Tanja, die auf der anderen Seite lag, stemmte sich mühsam auf die Ellbogen hoch und wandte den Kopf. Sie sog hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein, als sie Uschi erkannte.
»Aber ich dachte –«
Sie verstummte, als Rachel ihr einen schnellen, mahnenden Blick zuwarf, und versuchte
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