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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Verstehens oder Erschreckens, dann wirbelte er mit einer unglaublich schnellen Bewegung herum. Sein ausgestreckter Arm und mit ihm die Pistole vollführten einen perfekten Halbkreis und zielten nun genau auf den verschwommenen Umriss hinter der regennassen Windschutzscheibe. Hätte er abgedrückt, der Fahrer hätte nicht die Spur einer Chance gehabt.
    Doch er drückte nicht ab, sondern zögerte einen einzigen, aber entscheidenden Sekundenbruchteil. Vielleicht war er auch einfach überrascht, den Wagen scheinbar aus dem Nichts hinter sich auftauchen zu sehen. Vielleicht wog er nur seine Chancen ab, zur Seite zu springen und zugleich einen sicheren Schuss anzubringen – ganz egal warum, er zögerte einen winzigen Moment, im Gegensatz zu Rachel. Wenn sie später über diese Situation nachdachte, dann war sie nie sicher, ob sie nun ihre eigene Kaltblütigkeit bewundern oder sich eingestehen sollte, dass sie gar nicht nachgedacht, sondern ganz instinktiv reagiert hatte. Aus welchem Grund auch immer – sie sprang vor und rammte dem Mann die ausgestreckten Hände zwischen die Schulterblätter, genau in dem Moment, in dem sich sein Finger um den Abzug krümmte.
    Der Stoß reichte nicht aus, ihn von den Füßen zu reißen, aber er taumelte mit einem überraschten Laut zur Seite, und anstatt ein sauberes Loch in die Windschutzscheibe und die Stirn des Mannes dahinter zu stanzen, schlug die Kugel nur Funken aus dem Fensterholm und heulte als Querschläger davon. Dann war der Wagen heran und Rachel begriff mit einem absurden Gefühl von Schuld, dass ihr Angriff noch einen zweiten, viel spektakuläreren Effekt gehabt hatte: Statt dem Opel auszuweichen, stolperte der Mann direkt in den Weg des heranschlitternden Wagens. Es gab einen dumpfen, sonderbar weichen Knall. Die Gestalt vor ihr verlor plötzlich den Boden unter den Füßen und war dann einfach nicht mehr da, und für einen unendlich kurzen, aber schrecklichen Moment sah sie die abgeflachte Kühlerhaube des Opels nun auf sich zurasen, und den Bruchteil einer Sekunde, bevor die blau lackierte Haifischschnauze sie treffen konnte, warf sie sich zur Seite. Ihre Füße verloren auf dem schlammigen Untergrund den Halt. Sie glitt aus und fiel, aber der Wagen schlitterte auf blockierenden Rädern an ihr vorbei, ohne sie zu verletzen, und kam nach fünf oder sechs weiteren Metern zum Stehen.
    Rachel arbeitete sich mühsam in die Höhe. Schlamm und klebriges Brackwasser bedeckten ihr Gesicht und liefen ihr in die Augen, so dass sie kaum noch etwas sah, und irgendwo weit – viel zu weit! – entfernt heulte eine Polizeisirene. Sie konnte nicht einmal sagen, ob sie sich entfernte oder näher kam, aber ein Teil von ihr empfand eine eindeutig hysterische Belustigung. Das war wieder einmal typisch. Wenn man die Bullen schon mal brauchte, dann kamen sie zu spät! Sie blinzelte ein paar Mal, um die Augen freizubekommen, aber es funktionierte nicht. Sie konnte sehen, aber die Dinge hatten einen verschwommenen Rand. Die grell aufleuchtenden Bremslichter des Wagens vor ihr schickten zerfaserte rote Lichtspeere bis in den entferntesten Winkel ihres Gesichtsfeldes. Der Wagen setzte mit durchdrehenden Hinterrädern zurück. Hochspritzender Schlamm besudelte sie von Kopf bis Fuß – als ob sie nicht schon dreckig genug wäre! – und Rachel drehte hastig das Gesicht zur Seite, sprang aber trotzdem weiter hoch und streckte die Hand nach der Beifahrertür aus. Die wurde im gleichen Moment von innen aufgestoßen, in dem ihre Finger noch zehn Zentimeter weit vom Türgriff entfernt waren, und zu ihrem ohnehin malträtierten Handgelenk gesellten sich noch drei abgebrochene Nägel und vier geprellte Fingerknöchel. Es tat so weh, dass sie die Hand abrupt zurückzog, so, als hätte sie glühendes Eisen berührt. Rachel fluchte, riss die Tür mit der anderen Hand auf und warf sich mit einer kraftvollen Bewegung in den Wagen.
    Ein gleichermaßen erschrocken wie übernächtigt wirkendes Gesicht starrte sie an und wurde noch ein bisschen blasser, als Rache] seinen Besitzer anfuhr: »Fahren Sie! Los!« In Zukunft würde sie sich genauer überlegen, was sie sagte, denn der junge Mann hinter dem Steuer reagierte fast schneller, als ihr lieb war: Sein Fuß, der die Kupplung bisher niedergedrückt hatte, schnellte zurück und der Wagen machte einen so gewaltigen Satz, dass Rachel zum zweiten Mal und noch nachhaltiger in den Sitz geworfen wurde. Irgendwie brachte sie das Kunststück fertig, die Füße in den

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