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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch nie zuvor gesehen und ich weiß nicht, warum sie mich umbringen wollten. Und ich habe auch keine Ahnung, wer mich so hasst, dass er mir den Tod wünscht.«
    Die falsche Taktik. Naubach zeigte sich kein bisschen amüsiert, sondern sog mit ausdruckslosem Gesicht an seiner Zigarre und ließ einige Sekunden verstreichen, ehe er fragte: »Wie kommen Sie auf die Idee, dass diese Männer Sie umbringen wollten?«
    »Vielleicht, weil sie auf mich geschossen haben?«, schlug Rachel vor. Mein Gott, wie das klang, weil sie auf mich geschossen haben! Das war wie ein Dialog aus einem Kriminalfilm, den man sich mit einem wohligen Schaudern und dem sicheren Wissen ansah, dass einem selbst nichts passieren konnte, ganz egal, wie haarig es auch wurde. Und nun war sie tatsächlich mitten drin in diesem Irrsinn! Die diversen schmerzenden Stellen an ihrem Körper machten ihr nachhaltig klar, dass es alles andere als ein Albtraum war, und dennoch kam ihr die Situation mit jeder Sekunde, die verstrich, unwirklicher vor.
    »Es könnte ebenso gut eine versuchte Entführung gewesen sein«, sagte Naubach. »Nach allem, was passiert ist, scheint mir das sogar wahrscheinlicher.«
    Und wenn sie über die zurückliegende Verfolgungsjagd nachdachte, dann musste sie ihm fast widerwillig Recht geben. Die Kerle hatten auf sie geschossen, aber irgendetwas sagte ihr, dass sie auch getroffen hätten, hätten sie es wirklich gewollt. Aber wie konnte er das wissen? »Nach allem, was passiert ist?«
    Diesmal wirkte Naubach ehrlich überrascht. »Wo waren Sie in der letzten Woche?«, fragte er. »Auf dem Mond? Ich meine: Lesen Sie keine Zeitung, oder sehen Sie nicht fern?«
    »Da, wo ich war, gibt es so etwas nicht«, antwortete Rachel. Naubach blickte zweifelnd und sie fügte erklärend hinzu: »Ich wollte einfach ein paar Tage Ruhe haben. Ein bisschen Abstand gewinnen. Verstehen Sie? Ich bin zu einer Freundin gefahren, die tatsächlich keinen Fernseher besitzt.«
    »Und keine Zeitung abonniert hat«, vermutete Naubach. »Ich wusste gar nicht, dass es solche Leute wirklich gibt.« Er sah sich vergeblich nach etwas um, das er als Aschenbecherersatz benutzen konnte, hob schließlich die Schultern und schnippte seine Zigarrenasche in Rachels Kaffee, der vor ihm auf dem Tisch stand. Es zischte. Der graue Ascheklumpen schwamm einen Moment auf der Oberfläche und ging dann unter; ein schmutziger Eisberg, der in geschmolzenen Teer gefallen war. »Wenn das stimmt, dann haben Sie wirklich eine Menge verpasst«, fuhr er fort.
    Was hieß hier: Wenn das stimmt?, dachte Rachel empört. Unterstellte er ihr etwa, dass sie log? Sie sagte nichts, versuchte aber Naubach mit feindseligen Blicken aufzuspießen.
    »Unsere friedliche kleine Stadt hat in den letzten sechs Tagen eine gewisse Berühmtheit erlangt«, begann Naubach umständlich. »Allerdings eine, auf die ich gerne verzichtet hätte.« Er sog erneut an seiner Zigarre und Rachel konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er versuchte etwas zu sagen, ohne etwas zu sagen, dachte sie. Verdammt, er spielte auf Zeit, aber warum?
    »Sie meinen, es war nicht der erste Zwischenfall dieser Art?« Sie ging zum Tisch zurück und setzte sich.
    Naubach nickte. Er schnippte eine weitere Ladung Asche in den Kaffee. Der Inhalt der Tasse begann sich allmählich zu einem unappetitlichen Grau zu verfärben. »Drei, insgesamt«, sagte er. »Jedenfalls drei, von denen wir wissen.«
    »Drei?«, ächzte Rachel. »Sie meinen, es hat hier drei Wildwestshows gegeben, ohne dass Sie etwas dagegen unternommen haben?« Sie bedauerte ihre Worte sofort wieder. Nicht nur, weil es in Naubachs Augen feindselig aufblitzte, sondern auch, weil es einfach unfair war und ziemlich dumm klang.
    »Die einzige Wildwestshow hier haben Sie abgeliefert, meine Liebe«, antwortete er kühl. »Ihre Vorgängerinnen waren ein wenig diskreter. Sie waren rücksichtsvoll genug, sich entführen zu lassen, ohne Widerstand zu leisten und dabei die halbe Stadt in Lebensgefahr zu bringen.«
    »Entschuldigung«, murmelte Rachel.
    Diesmal sagte Naubach nichts. Er paffte nur schweigend an seiner Zigarre und starrte sie an.
    »Entführt?«
    »Wir wissen es in zwei Fällen definitiv«, bestätigte Naubach. »Es gab Zeugen, auch wenn sie wahrscheinlich gar nicht richtig begriffen haben, was sie beobachteten – nach dem, was heute passiert ist, war das vermutlich ihr Glück. Die andere ist einfach verschwunden, aber wir nehmen mit ziemlicher Sicherheit an,

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