Flut: Roman (German Edition)
Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, was sie da eigentlich gesagt hatte. Sie schwieg betreten. Sie hatte nicht einmal gelogen. Tanja war in vieler Hinsicht ein Riesenfeigling – aber was zum Teufel ging das De Ville an?
De Ville sagte ihr Fauxpas natürlich gar nichts, aber Naubach maß sie mit einem Blick, unter dem sie sich schlagartig noch unwohler zu fühlen begann, als es sowieso der Fall war. »Und Sie?«
Rachel war De Ville fast dankbar, dass er diese Frage stellte. »Ich bin ausgetreten«, sagte sie. »Ein halbes Jahr nachdem meine Eltern gestorben sind. Sie waren strenggläubige Christen, wissen Sie? Und ich wollte ihnen nicht antun, praktisch unter ihren Augen Fahnenflucht zu begehen.«
»War es das denn?«, fragte De Ville. »Fahnenflucht?«
Rachel machte eine Bewegung, die irgendwo zwischen einem Kopfschütteln und einem Achselzucken lag. »Das kommt immer auf den Standpunkt an. Ich habe der Kirche den Rücken gedreht, nicht dem Glauben.« Und schon war sie mittendrin in genau der Diskussion, die sie in den zurückliegenden Wochen einfach zu oft geführt hatte. So oft, dass sie schließlich davor geflohen war. Sie bedauerte es bereits, De Villes Frage überhaupt so ausführlich beantwortet zu haben.
De Ville seufzte. »Wäre ja auch zu schön gewesen.« Stirnrunzelnd wandte er sich wieder an Naubach: »Sie haben die Daten dieses Benedikt Darkov ins BKA gemailt, nehme ich an? Fingerabdrücke und so weiter?«
»Aber noch keine Antwort erhalten«, bestätigte Naubach mit einem Nicken. »Unsere Server-Verbindung bricht immer wieder zusammen. Keine Ahnung, was da los ist.«
»Das gesamte Telefonnetz ist hoffnungslos überlastet«, antwortete De Ville. »Diese verdammten Meteore haben mittlerweile den dritten Fernmeldesatelliten erwischt und ausgeschaltet. Wenn das so weitergeht, dann benutzen wir in ein paar Monaten wieder Buschtrommeln, Spiegel und Signalfeuer.« Er lächelte knapp und völlig humorlos und wurde dann sofort wieder ernst. »Ich werde dafür sorgen, dass man Ihrer Dienststelle eine sichere Frequenz zuweist. Und was Sie angeht«, er wandte sich wieder zu Rachel um, »gibt es irgendeinen Platz, wo Sie hingehen könnten?«
»Hingehen?«, wiederholte Rachel verständnislos. »Wie wäre es mit meiner Wohnung?«
»Das ist keine besonders gute Idee«, erwiderte De Ville ernst. »Nicht nach dem, was gerade passiert ist.«
»Aber Sie können es mir doch auch nicht verbieten?« Rachel sah schadenfroh zu, wie De Ville einen weiteren Schluck Kaffee trank und anschließend genießerisch das Gesicht verzog. »Oder etwa doch?«
»Nein«, antwortete De Ville widerwillig. »Natürlich kann ich das nicht, aber ich kann auch nicht für Ihre Sicherheit garantieren, wenn Sie darauf bestehen, in Ihre Wohnung zurückzukehren. Selbstverständlich wird Herr Naubach zwei Beamte zu Ihrem Schutz abstellen, aber ob das reicht …« Er hob vielsagend die Schultern. »Ganz offensichtlich haben wir es mit Männern zu tun, die vollkommen unberechenbar sind.«
»Dann stellen Sie mehr Polizisten zu meinem Schutz ab«, schlug Rachel vor.
Um ein Haar hätte Naubach aufgelacht. »Wie stellen Sie sich das vor? Ich bin schon froh, wenn ich zwei Männer erübrigen kann. Wir befinden uns nicht im Kriegszustand, wissen Sie?« Er schüttelte den Kopf und deutete mit einer widerwilligen Bewegung auf De Ville. »Ich fürchte, er hat Recht. Sie wären weitaus sicherer, wenn Sie in ein Hotel gingen oder zu Verwandten, vorzugsweise welchen, die niemand hier in der Stadt kennt.«
»Und woher wollen Sie wissen, dass sie mich dort nicht ebenfalls finden?«
»Das wissen wir nicht«, räumte De Ville ein. »Was wir hingegen wissen, ist, dass die Männer Ihre Wohnung kennen. Seien Sie vernünftig. Es muss kein Hotel sein. Wir haben ein paar sichere Häuser für genau solche Zwecke.«
»Lassen Sie mich raten«, sagte Rachel spitz. »Sie haben Gitter vor den Fenstern.«
Ihre Worte taten ihr sofort wieder Leid. Sie benahm sich zickig und das war vermutlich genau das, was zumindest De Ville erwartet hatte. Es ärgerte sie, ihm diesen Triumph verschafft zu haben. Außerdem hatten die beiden einfach Recht. Sie verstand mittlerweile selbst nicht mehr so genau, warum sie sich so benahm. Etwas an De Ville reizte sie einfach. Sie wusste nicht, was, aber er war ihr auf Anhieb unsympathisch gewesen.
»Wie wäre es, wenn ich mit diesem Darkov rede?«, schlug sie vor.
»Was versprechen Sie sich davon?«, fragte De Ville. Sein
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