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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Arm hing schlaff herab; aus dem Jackenärmel tropfte ein beständiger roter Strom. Mit dem anderen Arm zerrte er Naubachs reglosen Körper von ihr herunter und riss sie in die Höhe. Ohne sich auch nur mit einem Blick davon zu überzeugen, was mit Naubach los war, stieß er sie herum und auf den qualmenden Trümmerhaufen zu, der einmal die Trennwand zum Flur hin gewesen war. Überall tobten Flammen. Es war so heiß, dass sie das Gefühl hatte, flüssiges Feuer zu atmen.
    De Ville stieß sie auf eine schmale Lücke in der lodernden Flammenwand zu und stolperte dicht hinter ihr hindurch. Rachel riss hastig die Hände vor das Gesicht, um sich vor der schlimmsten Hitze zu schützen, aber sie sah trotzdem, dass der Flur einen ungleich schrecklicheren Anblick bot als das Zimmer, aus dem sie gerade entkommen waren. Auch die gegenüberliegende Wand war zum Teil eingestürzt und in dem Zimmer dahinter brannte es lichterloh. Mindestens drei Gestalten in verkohlten schwarzen Anzügen lagen verkrümmt auf dem Boden; De Villes Männer, die die volle Wucht der Explosion abbekommen hatten. Sie hatten nicht die geringste Chance gehabt. Und sie hörte auch das Stöhnen und die verzweifelten Hilferufe weiterer Verletzter, die sie barmherzigerweise aber nicht sehen konnte. Der Korridor war nicht nur von Flammen erfüllt, sondern auch von fettem, schwarzem Qualm, der ihr fast vollständig die Sicht nahm.
    De Ville stieß sie grob in Richtung des Ausgangs, packte sie gleichzeitig aber auch noch gröber am Handgelenk, als sie losstolperte. »So, Sie wissen also von nichts, wie?«, brüllte er. »Vielen Dank für die Warnung. Aber auf die Erklärung bin ich gespannt!«
    Rachel hatte Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. In ihren Ohren war ein dumpfes Rauschen, das im rasenden Takt ihres eigenen Herzens kam und ging und alle übrigen Geräusche zwar nicht übertönte, ihnen aber einen Großteil ihrer hohen und niedrigen Frequenzen nahm, so dass sich seine Stimme so dumpf anhörte, als spräche er unter Wasser oder mit einem Knebel im Mund. Aber die Wut darin war trotzdem nicht zu überhören.
    Von De Ville in eisernem Griff gehalten, stolperte sie auf die Tür am Ende des Korridors zu. Sie war mindestens fünfundzwanzig Meter entfernt, aber die Druckwelle hatte das Glas trotzdem zertrümmert und auf der gesamten Länge des Ganges dahinter verteilt. Der Marmorboden glitzerte, als wäre Hagel gefallen, und der Polizist, der am Lift Wache gestanden hatte, hockte auf den Knien und presste beide Hände gegen das Gesicht. Immer noch gellten Schreie durch die Luft und als sie die halbe Strecke zur Tür hinter sich gebracht hatten, tauchte ein junger Mann in der weißen Kleidung eines Krankenpflegers auf, der einen Feuerlöscher in der Hand hielt; angesichts des Infernos, das hinter ihnen tobte, eine Geste von fast rührender Hilflosigkeit.
    Von draußen wehte der dumpfe Knall einer zweiten, womöglich noch heftigeren Explosion herein. Diesmal erzitterte das Haus nicht und es gab keine neuen Flammen, aber sie konnte hören, wie auf der Straße ein ganzer Chor gellender Schmerzens- und Entsetzensschreie laut wurde. Zwei oder drei Sirenen, alle noch weit entfernt, begannen gleichzeitig zu heulen, und sie glaubte etwas zu hören, das wie ein einzelner Schuss klang. De Ville fluchte lauthals, sprintete plötzlich an ihr vorbei und zerrte sie einfach mit sich, und Rachel hatte alle Mühe, überhaupt noch mit ihm Schritt zu halten und dabei nicht das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen.
    Dicht vor ihnen flog eine Tür auf und ein vollkommen verstörter Mann mittleren Alters, der nur eine Pyjamahose und einen einzelnen Hausschuh trug, stolperte heraus. De Ville wich ihm mit einem fast komisch anmutenden Schritt aus, aber Rachel schaffte es nicht mehr ganz. Sie prallte hart gegen den Patienten, der einen krächzenden Schrei ausstieß und rücklings in sein Zimmer zurückstolperte und fiel. Rachel selbst stürzte nicht, aber sie machte zwei ungeschickte, stolpernde Schritte, bei denen De Ville sie noch zusätzlich aus dem Gleichgewicht brachte, und schrammte gute zwei Meter mit der Schulter an der Wand entlang, ehe sie ihre Balance wiederfand. Keuchend blieb sie stehen.
    De Ville ließ für einen Moment ihre Hand los und drehte sich zu ihr herum. »Alles in Ordnung?«
    Rachel wollte nicken – obwohl natürlich ganz und gar nichts in Ordnung war –, aber in diesem Moment sah sie, wie sich die Aufzugtüren auf dem Flur hinter De Ville auseinander

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