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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und das himmlische Feuerwerk begonnen hatte, hatte sie Tiraden wie diese unzählige Male gehört und ebenso oft darüber den Kopf geschüttelt oder geschmunzelt, je nach dem, aber es war ein gewaltiger Unterschied, ob man Worte wie diese aus dem Mund eines durchgeknallten Fernsehpredigers hörte oder aus dem eines Mannes, der vor wenigen Minuten bewiesen hatte, dass er mit bloßen Händen töten konnte und auch keine Skrupel besaß, es zu tun. Ein gewaltiger Unterschied. »Also gut.« Sie vermied es ganz bewusst, Darkov anzusehen, und sie hoffte zumindest, dass ihre Stimme nicht nur in ihren eigenen Ohren einigermaßen neutral klang. »Meinetwegen. Nehmen wir einfach einmal an, ich glaubte das alles – was habe ich damit zu tun?«
    »Vielleicht nichts«, antwortete Darkov. »Vielleicht alles.«
    »Ach so.« Sie sah auf den Tachometer. Noch drei Kilometer, allerhöchstens vier. Aber was dann? Der Gedanke, dass er freiwillig aus dem Wagen steigen und zusehen würde, wie sie davonfuhr, war ziemlich lächerlich.
    »Das Ende der Zeiten ist nahe«, proklamierte Darkov. »Gottes Zorn wird über uns kommen. So, wie es geschrieben steht.«
    »Und wo?«, fragte Rachel vorsichtig.
    Darkov blinzelte. »Wie? Was meinst du?«
    »Wo?«, wiederholte Rachel. »Ich meine: Wo steht es geschrieben? Ich kenne die Bibel nicht auswendig, aber ich kenne sie. Mir ist keine Prophezeiung über eine zweite Sintflut bekannt.«
    »Genesis sechs, Vers sieben«, antwortete er. Das war exakt die gleiche Bibelstelle, die er gerade zitiert hatte.
    Rachel wählte ihre nächsten Worte sehr sorgsam, aber sie war trotzdem alles andere als sicher, ob sie die richtige Wahl traf. Ihre Stimme klang ganz ruhig; so wohlmoduliert und zugleich teilnahmslos wie die einer Nachrichtensprecherin, die den Wetterbericht verlas, aber was, wenn er gerade diese Ausdruckslosigkeit als Provokation empfinden würde? Verdammt, ihre Erfahrung mit Verrückten beschränkte sich auf Kriminalromane und einschlägige Filme.
    Sie hatte unzählige Male gehört, dass man Amokläufern nicht widersprechen sollte, aber wer zum Teufel sagte ihr eigentlich, dass das auch stimmte?
    »Bei dieser Bibelstelle geht es um die alte Sintflut«, sagte sie vorsichtig. »Soweit ich weiß, ist es keine Prophezeiung.«
    »Soweit du weißt.« Darkov machte ein abfälliges Geräusch. »Du glaubst also, dass sie uns die echten Bibeltexte zugänglich gemacht haben? Ich hätte dich nicht für so naiv gehalten.« Seine Stimme klang fast amüsiert, aber vielleicht klang sie nur in ihren Ohren so.
    Rachel wurde immer deutlicher bewusst, wie dünn der Grat war, auf dem sie wandelte, und wie tief der Abgrund darunter. »Das kann ich nicht beurteilen«, antwortete sie vorsichtig. »Aber noch einmal – selbst wenn das alles so wäre: Was habe ich damit zu tun? Oder Tanja oder die anderen?«
    Wahrscheinlich würde er ihr jetzt erzählen, dass es ihre Schuld war. Dass sie, Tanja oder eine der anderen oder auch sie alle zusammen die Auslöser der kosmischen Katastrophe waren, mittels derer Gott der Herr sein Strafgericht vollziehen würde.
    »Ich weiß nicht, ob du diejenige bist, nach der sie suchen«, antwortete Darkov. »Aber ich weiß, dass es eine von euch ist.«
    »Selbstverständlich.« Es gelang ihr nicht mehr ganz, den sarkastischen Klang in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Sie meinen, so wie in diesem alten englischen Spielfilm mit Richard Burton: ›Die Schrecken der Medusa‹.«
    Darkov sah sie nur noch verwirrter an. Englische Sciencefictionfilme aus den Siebziger Jahren waren augenscheinlich nicht sein Fachgebiet.
    »Dem Film, in dem er über die Macht verfügt, Katastrophen heraufzubeschwören«, erklärte sie. »Zuerst stürzt ein Flugzeug auf London, dann stürzt eine Kathedrale zusammen und der Film endet damit, dass die Kamera auf ein Atomkraftwerk zoomt – so in etwa?«
    Darkov blinzelte sie weiter so vollkommen verständnislos an, dass sie sich ernsthaft zu fragen begann, ob er überhaupt begriff, wovon sie sprach. Aber endlich schüttelte er den Kopf und sagte: »Nein. Genau andersherum. Eine von euch ist dazu ausersehen, es aufzuhalten.«
    »Warum auch nicht?« Rachel deutete ein Achselzucken an, schloss die Augen und presste für zwei oder drei Sekunden die Lider so fest zusammen, dass bunte Lichtpunkte auf ihren Netzhäuten erschienen. Dann öffnete sie die Augen wieder und zuckte abermals mit den Schultern. »Es tut mir Leid«, sagte sie in perfekt geschauspielertem bedauerndem Ton. »Ich

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