Flut: Roman (German Edition)
habe es versucht, aber es klappt nicht. Ich fürchte, es regnet immer noch.« Sie war plötzlich von einer hysterischen Albernheit erfüllt, gegen die sie machtlos war; vielleicht einfach ihre Art, mit der Situation fertig zu werden. Selbst die Stimme der Vernunft, die irgendwo tief in ihr (und sehr leise) immer noch da war und ihr zuschrie, dass sie möglicherweise gerade dabei war, sich um Kopf und Kragen zu reden, hatte in diesem Moment etwas Erheiterndes.
Darkov wurde jedoch nicht wütend, sondern sah sie nur wortlos an, und nach ein paar Sekunden stahl sich sogar die Andeutung eines Lächelns auf sein Gesicht. »So einfach ist es nicht, fürchte ich.«
So plötzlich, wie der Anflug hysterischer Heiterkeit gekommen war, so rasch war er wieder vorbei und das Pendel schlug warnungslos und beinahe noch heftiger in die Gegenrichtung aus. Mit einem Male fühlte sie sich erbärmlich. Sie bedauerte längst, Darkov nach dem Grund für all diesen Wahnsinn gefragt zu haben. So verrückt sich seine Antworten auch anhören mochten, war sie dennoch davon überzeugt, dass es die Wahrheit war – nicht, dass sie, Tanja oder irgendjemand sonst auf dieser Welt etwas mit dem kosmischen Feuerwerk und dem Dauerregen zu tun hatte, aber die Männer, die sie verfolgten, glaubten es, und diese Erklärung schien die Situation nur noch schlimmer zu machen. Irgendwie hätte sie sich vielleicht mit dem Gedanken abfinden können, zwischen die Mühlen verschiedener Geheimdienste geraten zu sein oder sich unversehens auf der Abschussliste der Mafia wieder zu finden, warum auch immer, aber eine Bande religiöser Fanatiker, die glaubte, das Ende der Welt sei gekommen – nein. Dieser Gedanke war ebenso absurd wie Furcht einflößend.
Eine Weile fuhren sie in unbehaglichem Schweigen dahin, bis im Dunst des Regentages eine Ansammlung ein- und zweigeschossiger Gebäude vor ihnen auftauchte. Rachel nahm ein wenig Gas weg, wodurch sie praktisch nur noch dahinkrochen, hielt aber nicht völlig an. »Wir haben ein Problem«, sagte sie.
»So könnte man es ausdrücken«, bestätigte Darkov, aber Rachel schüttelte den Kopf.
»Ich meine nicht Ihre schießwütigen Freunde«, sagte sie. »Ich meine Sie und mich.«
Darkov schwieg.
»Ich kann nicht weiter bei Ihnen bleiben«, fuhr sie fort. »Allein mit Ihnen aus dem Krankenhaus zu flüchten war schon eine Riesendummheit, aber ich schätze, aus der Sache komme ich schon irgendwie wieder raus. Trotzdem muss ich zurück.«
»Das wäre ein Fehler«, erwiderte Darkov, aber Rachel fuhr unbeirrt fort:
»Sie gehören zu ihnen, habe ich Recht?« Natürlich hatte sie Recht. Sie erwartete nicht wirklich, eine Antwort zu bekommen, und es war auch nicht nötig. Sie wusste, dass es so war. Es war das Einzige, was überhaupt Sinn ergab. »Aber ich kann Sie nicht der Polizei ausliefern. Sie haben mir zweimal das Leben gerettet. Ich bin Ihnen etwas schuldig.«
»Du bist mir gar nichts schuldig«, antwortete Darkov. »Aber du solltest nicht zurückgehen. Du wärst nicht vor ihnen sicher.«
»Ich muss«, beharrte Rachel. Verdammt, wieso hatte sie das Gefühl, dass er Recht hatte? »Es reicht mir schon, dass diese Irren hinter mir her sind. Ich kann darauf verzichten, auch noch vor der Polizei davonzulaufen, wissen Sie. Schließlich habe ich nichts getan. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sie deutete nach vorne und legte gleichzeitig die rechte Hand auf das Handy in der Mittelkonsole. »Ich steige dort vorne aus und nehme es mit. Nach zehn Minuten rufe ich die Polizei an und lasse mich abholen. Ich werde ihnen nicht sagen, in welche Richtung Sie gefahren sind, und ich werde nichts von dem verraten, was Sie mir gerade erzählt haben. Mehr kann ich nicht tun. Aber so viel bin ich Ihnen schuldig.« Ihr Herz klopfte heftig, während sie auf seine Antwort wartete. Noch vor zehn Minuten, bevor er ihr diese völlig verrückte Geschichte vom bevorstehenden Ende der Welt und Gottes Strafgericht erzählt hatte, wäre sie vollkommen sicher gewesen, dass er auf diesen Vorschlag einging, aber jetzt?
»Ich werde aussteigen«, sagte er nach einer kleinen Ewigkeit. Es klang enttäuscht und traurig, nicht wütend, und Rachel atmete innerlich auf. »Nimm du den Wagen.«
»Das wäre nicht sonderlich klug«, antwortete sie. »Ich kann ihnen vielleicht irgendwie weismachen, dass ich Ihnen entkommen konnte oder dass Sie mich einfach aus dem Wagen geworfen haben, nachdem wir weit genug von der Stadt entfernt waren, aber kaum, dass
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