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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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vermiete, da die Preise in der Hauptsaison fünf Mal so hoch seien und sie Stammgäste habe, die jedes Jahr wiederkämen. Er schlägt vor, sie solle ausrechnen, wie viel sie in der Saison bekommt, das zu den monatlichen Mieten für den Rest des Jahres zu addieren und die Summe durch zwölf zu teilen. Er sei bereit, den Betrag zu zahlen, und versichert ihr, sie werde kein Geld dabei verlieren. Sie sagt, sie habe schon zu viele Probleme gehabt, indem sie Wohnungen außerhalb der Saison an Leute wie ihn vermietet habe oder an Pärchen oder Freunde, die den Winter am Strand verbringen wollen und dann verschwinden und nicht bezahlen. Und dann weiß ich nicht, wie ich an mein Geld kommen soll, sagt sie. Er schlägt vor, einen Vertrag aufzusetzen und beim Notar beglaubigen zu lassen. Sie lacht herzlich und sagt, sie mache keine Verträge. Verträge bringen nichts. Was soll ich mit einem Vertrag? Was soll ich meine Zeit vergeuden und hinter den Leuten herlaufen? Und selbst wenn ich sie dann finde, will ich sie verklagen? Soll ich mich deswegen aufregen? Er bietet ihr eine monatliche Summe an, die multipliziert mit zwölf fast seinen gesamten Ersparnissen entspricht. Darauf antwortet sie nicht gleich. Lächelnd wägt sie ab und fragt, was er beruflich mache. Er sagt, er sei Sportlehrer. Sie fragt, was er in Garopaba wolle. Er antwortet, er wolle am Strand wohnen. Sie fragt, ob er in der Stadt arbeiten und sich niederlassen wolle. Er bejaht. Er wolle Trainingsstunden geben, irgendwann später Räume mieten und, wer weiß, wenn alles gut läuft, vielleicht ein Fitnessstudio aufmachen. Außerdem sei er selbst Sportler und wolle trainieren. Im Meer zu schwimmen sei seine große Leidenschaft, und ihre Wohnung liege nun mal fünf Meter von seinem Traumschwimmbad entfernt. Dona Cecina erzählt, letztes Jahr hätten zwei Freunde die Wohnung für ein Jahr gemietet. Sie waren Surfer, wollten surfen und eine Pension in Garopaba eröffnen. Vier Monate später waren sie verschwunden, hatten die letzte Miete nicht gezahlt und die Wohnung komplett auseinandergenommen. Möbel und Wände waren ruiniert. Den ganzen Tag stank es nach Marihuana. Die Nachbarn mussten sich dauernd ihre Streitereien anhören. Die beiden waren homosexuell, wogegen ja nichts einzuwenden sei, und drogensüchtig. Sie schlossen sich der hiesigen Szene an und fingen an, direkt vor dem Haus zu dealen, außerdem nahmen sie selbst viele Drogen und machten alles kaputt, und dann waren sie auf einmal verschwunden, ohne zu bezahlen. Alle erzählen sie einem dasselbe, sagt siefreundlich. Ich will nur am Strand wohnen und surfen. Ich will nur über mein Leben nachdenken. Die Natur genießen. Ein Buch schreiben. Ich will nur angeln. Ich will ein Mädchen vergessen. Ich will nur die Liebe meines Lebens finden. Ich will nur allein sein. Ich will nur Ruhe. Ich will nochmal von vorn anfangen. Und dann fangen sie an zu streiten, werden depressiv, machen Sachen kaputt, trinken zu viel, brüllen rum, veranstalten Orgien, nehmen Drogen und hauen ab, ohne zu bezahlen, oder bringen sich um. Schwierig, sagt sie. Man weiß nie, wem man trauen kann und wem nicht, das ist wirklich schade. Ich kenne dich nicht. Eigentlich will ich die Wohnung im April renovieren lassen, damit sie dann im Sommer fertig ist. Ich kann sie also nicht vermieten.
    Ich nehme keine Drogen. Ich mache keine Probleme. Ich will hier alleine mit meinem Hund wohnen, und ich bin ein friedlicher Mensch.
    Ich weiß. Aber es ist nun mal so, dass ich die Wohnung renovieren will.
    Er bedankt sich, verabschiedet sich und geht.
    Er isst im billigsten Restaurant, das er finden kann, kehrt ins Hotel zurück und legt sich ins Bett. Er blättert in der letzten Ausgabe von Runners , in deren Leitartikel es wieder mal darum geht, wie wichtig Stretching vor und nach dem Laufen ist, bleibt danach mit offenen Augen liegen, stellt langwierige Rechnungen an und verliert sich in Tagträumen.
    Am späten Nachmittag zieht er Turnschuhe, Shorts und ein Polyester-Shirt an und geht am Strand laufen. Beta lässt er auf dem Zimmer. Er läuft viermal mit langen Schritten von einem Ende zum anderen und zurück. Die Badegäste sind weg, nur wenige Menschen trotzen noch dem starken Wind. Ein Fischer fährt auf seinem Fahrrad vorbei, an beiden Seiten des Lenkers hängen Einkaufstüten. Eine groß gewachsene junge Frau geht mit einem kleinen Jungen spazieren, trinkt aus einem Mate-Gefäß und hält in der anderen Hand eine Thermoskanne. Ein älteres Ehepaar

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