Flut
letzten Monat auf einer Party an der Praia da Ferrugem. Ich fand sie ein bisschen verschlossen. Ich schätze, sie mochte mich nicht besonders. Sie kam allein und ging allein. Mit dem Motorrad. Ich bin ihr höchstens drei Mal begegnet, wahrscheinlich geht sie nicht gern unter Leute. Ist aber eine tolle Frau. Lustig, dass du nachihr fragst, ich hab schon mal gedacht, dass ihr gut zusammenpassen würdet. Sie hat mich an dich erinnert.
Mich hat sie auch an mich erinnert.
Ich tue mal so, als hätte ich das nicht gehört.
Sorry.
Bist du verliebt, Schwimmer?
Vielleicht.
Armer Kerl. Ich bin da, falls du mich brauchen solltest.
Ein Piepton macht ihn darauf aufmerksam, dass ein weiterer Anruf eingeht. Er verabschiedet sich von Bonobo und nimmt den Anruf an. Es ist seine Mutter. Sie will wissen, ob sie ihn in drei Wochen besuchen kommen kann. Natürlich, du kannst mein Schlafzimmer haben, Mama. Ich schlaf dann im Wohnzimmer. Es ist ziemlich kalt hier, aber es hat wenig geregnet. Sie sagt, dass sie mit dem Auto käme. Wunderbar. Dann können wir Ausflüge an die anderen Strände machen.
Die Sonne ist bereits über den Hügel gewandert, aber es will nicht wirklich wärmer werden. Er bringt die Hündin zum Pinkeln nach draußen und macht mit ihr etwa zwanzig Minuten lang Übungen im Wasser. Ein mit Fischen beladenes Schiff läuft ein, die Fischer beobachten ihn von Weitem und nicken ihm zu. Dona Cecina kommt auf dem Pfad über den Felsen vorbei, bleibt kurz stehen und sieht den beiden zu, wie sie im Wasser trainieren. Sie grüßt, lacht und schüttelt den Kopf. Sie behandelt ihn stets höflich und lächelt dabei, ohne groß mit ihm zu reden, als wäre er ein harmloser Irrer. Zu Hause wäscht er Beta unter der warmen Dusche und duscht dann selbst. Er macht sich einen Kaffee, setzt sich mit der dampfenden Tasse in der Hand und der Hündin neben sich ausgestreckt auf dem Fels vor der Wohnung in die Sonne und sieht auf den Strand. Er streicht sich durch den öligen, noch feuchten Bart und spürt die langen Schnurrbarthaare über der Oberlippe. Beta steht auf und legt sich wieder hin, als wollte sie Einsatz beweisen. Sie bewegt sich schon vielbesser. Manchmal versucht sie, kurze Strecken zu rennen, aber das klappt noch nicht. Ein hellgrauer Flaum wächst auf den kahlen Stellen. Dass ihr ein Stück Ohr fehlt, macht sie sympathisch. Er muss sie nach wie vor in der Wohnung einschließen, wenn er zum Schwimmtraining fährt, kommt aber immer direkt wieder nach Hause und geht dann mit ihr nach draußen. Débora hat ihm ein Hundebett geschenkt. Er fand das ein bisschen übertrieben, aber Beta fühlt sich wohl darin, außerdem schützt es sie vor der Kälte.
Am späten Vormittag bringt er die Hündin in die Wohnung und fährt zur Rua dos Pescadores. Ein Fischer filetiert Seezungen auf einem Holzbrett. Möwen und Geier stürzen sich auf Haifischköpfe, ein paar getigerte Katzen streifen um die Fischerhütten, auf der Suche nach etwas, das ihren hohen Ansprüchen genügt. In einer blauen Plastiktonne stinken die Fischreste in der Sonne. Die Bewohner des Ortes sitzen auf den Stufen ihrer Häuser, um sich zu wärmen. Das Büro von Caminho do Sol ist geschlossen. Ein alter Mann, der vor dem Nachbarhaus steht, klärt ihn auf, das Büro sei immer montags geschlossen. Er wirft einen Blick durch die Glasscheibe, denkt kurz nach und fährt dann weiter an der Strandpromenade entlang und die Hauptstraße hoch. Er biegt in die Abzweigung zur Praia da Ferrugem und folgt der gewundenen Straße vorbei an kleinen Häusern und einer Schule, an Sümpfen und Dickicht, der glitzernden Lagune, leerstehenden Villen und von Ochsen betriebenen Mühlen. Unterwegs achtet er auf rote Motorräder und auf jede Frau, die Jasmim sein könnte, bis er an den Strand kommt, wo zwei Frauen sich in der Sonne bräunen und ein Kind im nassen Sand hockt und einen Kanal baut. Er fährt zurück zur Hauptstraße, macht dort Rast in einem Selbstbedienungsrestaurant und häuft sich schwarze Bohnen, Reis und gegrillten Fisch auf einen Teller. Der Nachmittag im Schwimmbad vergeht quälend langsam. Als er kurz Pause hat, geht er an der Bar einen Saft trinken. Mila fragt, was mit ihm los sei. Er erzählt keine Details, fragtaber, was ihrer Meinung nach die beste Methode sei, eine Frau zu erobern. Die Chilenin antwortet in ihrem melodischen Portuñol, sie wisse es nicht, fände es aber besser, sich nicht darum zu bemühen, jemanden zu erobern. Alles, was man erobern müsse, bereite
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