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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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Meter.
    Das Boot folgt der Küste um die Ponta da Vigia herum. Hinter dem Kap wird die Dünung allmählich stärker. Angeregt von der Landschaft und den Geschichten von explodierenden Harpunen und riesigen Walen fangen die Touristen an, laut durcheinanderzureden und zu fotografieren und filmen. Außer ihm haben alle Männer eine Kamera in der Hand. Und auch die Frauen und Kinder halten ihre Kameras und Handys in alle Richtungen. Der Wind ist eiskalt, am Himmel ist keine Wolke zu sehen, und die Sonne brennt ihm bereits im Nacken. Als ihm der Schweiß über den Bauch rinnt, zieht er die wasserdichte Nylonjacke aus, die sie vom Veranstalter gegen die salzige Gischt bekommen haben. Jasmim trägt eine gelbe Regenjacke, darunter ein mit bunten Streifen bedrucktes Strandtuch als Rock. Im Ausschnitt der Regenjacke ist das Oberteil eines weißen Bikinis mit rosa Blümchen zu sehen. Sie hat strahlend weiße Zähne, ein Ringpiercing im linken Ohr und eine Gänsehaut.
    Achtung, Leute, zugehört, jetzt geht’s weiter. Die Walfangstation von Garopaba wurde 1795 gegründet und war nur eine von vielen, die damals an der Küste von Santa Catarina existierten. An der Praia da Armação in Florianópolis gab es zum Beispiel auch eine. Als deutlich wurde, welche Gewinne man mit dem Walfang erzielen konnte, übernahm zwischen 1801 und 1816 die portugiesische Verwaltung die Stationen, das lief wirtschaftlich aber so schlecht, dass sie schließlich wieder an private Betreiber verpachtet wurden. Es war damals der wichtigste Wirtschaftszweig in dieser Region. Das historische Zentrum von Garopaba entstand im Zuge des Walfangs. Alles war dort versammelt, die verarbeitenden Betriebe, die Wohnungen der Verwalter und Arbeiter, die Lager. Unter anderem arbeiteten auch zirka dreißig Sklaven dort.
    Wohnst du auch direkt hier in Garopaba?
    Ich wohne an der Praia da Ferrugem. Ich hab mir da einkleines Häuschen gemietet. Mit Blick auf die Lagune. Ich hab auch einen Logenplatz.
    Und was machst du außer den Walausflügen?
    Jasmim lächelt gequält und sieht aufs Meer hinaus.
    Ich weiß es gar nicht mehr so genau. Läuft gerade alles nicht so gut.
    Also, Leute, der Niedergang des Walfangs begann Mitte des 19. Jahrhunderts. 1851 kam dann das offizielle Ende der Walfangstationen. Der Hauptgrund dafür war neben der Dezimierung der Walpopulationen die Einführung des Petroleums. Als es plötzlich Kerosin und Zement gab, brauchte man kein Walöl mehr. Die Tiere wurden trotzdem noch sporadisch bis in die siebziger Jahre gejagt, obwohl es seit den dreißiger Jahren internationale Abkommen zu ihrem Schutz gab. In Brasilien ist der Walfang erst seit sechsundachtzig gesetzlich verboten. Der Glattwal ist beinahe ausgerottet. Nachdem man sich in jüngerer Zeit um den Schutz der Tiere bemüht, ist die Population wieder auf geschätzte achttausend angewachsen.
    Eigentlich bin ich nach Garopaba gekommen, um für meinen Master zu forschen.
    Master? In was denn?
    In Psychologie. An der katholischen Uni in Porto Alegre. Ich mache eine Forschungsarbeit über Lebensqualität. Der Titel ist Die Beurteilung der Lebensqualität der jüngeren Bevölkerung in Garopaba.
    Sie seufzt.
    Das war zumindest die Idee. Aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Ende des Jahres muss ich abgeben.
    Das Boot nimmt Fahrt auf und umschifft die Felsküste von Ferrugem. Vereinzelt sitzen Angler auf scheinbar unerreichbaren Felsen und widmen sich ihren Angelruten. Jasmim zeigt nach oben.
    Der Kopf des Großen Götzen. Siehst du? Die Sphinx oberhalb der Felswand. Da oben. Der Kopf aus Stein.
    Er folgt ihrem Blick und erkennt eine mehrere Meter hohe Steinformation, die an einen Totenkopf ohne Kinn erinnert.
    Ist das nicht natürlich gewachsen?
    Nein, das ist ein prähistorisches Monument. Archäologen haben bewiesen, dass es von Menschenhand gemacht ist.
    Von weit her kommende Wellen schwappen in einer letzten müden Geste an den Felsen.
    Vorbei an der Praia da Ferrugem, dem Morro do Índio und der Praia da Barra geht es weiter Richtung Süden. Ein dickes Mädchen mit wasserstoffblonden Haaren übergibt sich in einen Eimer, den Toni ihr gerade noch rechtzeitig hinstellt. Jasmim besorgt ein Glas Wasser und eine Dramin-Tablette und kümmert sich um sie. Die drei Mädchen der Familie, die am Tag davor aus dem Auto gestiegen war, streiten sich um die Aufmerksamkeit ihres Vaters und seiner Kamera, und in einem besonders ausgelassenen Moment geht eine von ihnen fast über Bord. Rechter Hand liegt die

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