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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Lunge und Rippenfell hatte sich Flüssigkeit gesammelt.
    Zwei Mal durchatmen, danach ließ er die Tranlampe murmelnd wandern: »Brustkorb, Rippen … Die Rippen alle heil. Nicht eine gebrochen. Gut. Das ist es nicht. Dringen wir tiefer vor.«
    Er wollte sich noch einen Kanne zapfen, aber das Fass war leer. Rungholt überlegte kurz, ein weiteres zu holen, entschied sich aber dagegen. »Ich hätte dich nach Hause schleppen sollen. Hätten wir beide jedenfalls ein Schlückchen Wacholderschnaps trinken und uns unterhalten können. Oder auch zwei oder drei Schlückchen.« Mit ernster Miene prostete er dem Kind mit der leeren Kanne zu.
    »Und ich hätte Alheyds Geflügelschere genommen.« Seufzend holte er noch einen Backstein von dem Haufen.
    Rungholt wog den Stein in der Hand, setzte die Gnippe auf den Knorpel einer der Rippen, wo sie mit dem Brustbein verbunden war. »Das wird etwas wehtun«, knurrte er und ließ den Stein auf das Messer niederfahren.
    Er brauchte neununddreißig Schläge, bevor er dem Jungen sieben der Knorpel zertrümmert hatte. Drei rechts, vier auf der linken Seite des Brustbeins.
    Behutsam brach er die Rippen auf und legte Herz und Lunge frei.
    Von außen war bereits etwas am linken Lungenflügel zu erkennen, als Rungholt mit der Lampe über den aufgeklappten Leib fuhr. Entschlossen schnitt er in die Lunge und stieß bereits beim ersten Eindringen der Klinge auf Eiter und Blut. Der Flügel war zum Atmen nicht mehr zu gebrauchen. Nachdem er ihn etwas abgetastet hatte, entschied er sich, den Schnitt zwei Fingerbreit zum Bauchnabel hin fortzuführen, und stieß auf das Zentrum einer Entzündung. Eiter hatte sich innerhalb der knorpeligen Röhre gesammelt, die hier hinabführte. Wie hatte Abulcasis sie genannt? Rungholt fiel das Wort nicht ein, er versuchte sich abzulenken, stellte sich das Buch vor, wie der Leibarzt es vor vierhundert Jahren bei Kerzenschein schrieb.
    Er konnte etwas ertasten, obwohl es nicht sehr viel härter als die Lunge selbst war. Kleiner als eine Witte, bloß so groß wie eine …
    Eine perfekte Schneeflocke, schoss es ihm durch den Kopf.
    Der Körper hatte über die Tage begonnen, dieses Ding im linken Lungenflügel zu umschließen, es unschädlich zu machen. Weil er es nicht ausscheiden konnte, umschloss er es mit Eiter. Wie ein Dorn im Fuß, wie ein Stachel im Finger, den man nicht zieht. Die Entzündung hatte sich ausgebreitet, die Lunge aufquellen und schließlich kollabieren lassen. Die Schmerzen einer solchen Lungenentzündung wollte sich Rungholt gar nicht ausmalen, dennoch sah er den Blut hustenden Jungen im Turm nach Atem ringend vor sich. Schwach und kaum bei Bewusstsein musste er sich in Gryps’ Gefangenschaft befunden haben.
    »Komm her. Zeig dich.« Rungholt spürte, wie der Alkohol in seinen Kopf stieg und seine Wangen glühen ließ. Er schnitt mit dem Messer entschlossen um das Ding herum, griff fest zu und riss den Fremdkörper mitsamt dem Eitersack aus dem Leib heraus. Er landete neben dem Mageninhalt auf dem Zinnteller. Gleich würde er wissen, was das Kind eingeatmet hatte.
    Rungholt spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Er sehnte sich nach einer weiteren Kanne Bier, so trocken wurde sein Mund. Behutsam schnitt er den Eitersack auf, zögerte jedoch. Im Schein seiner Lampe meinte er zu träumen.
    Konnte das sein?
    Abermals bemühte er den Lesestein, legte ihn auf seinen winzigen Fund.
    Jemand riss an der Tür zur Brauerei, ließ das Türblatt gegen den Balken knallen. Das Rappeln hallte durch die zwei Dielen. Rungholt fuhr herum. Sein Herz tat einen Sprung. Vor ihm lag die geöffnete Leiche. Er hatte keine Vorkehrungen getroffen, sie schnell verschwinden zu lassen, und zögerte jetzt, sie ins Wasser zu werfen und mit irgendetwas zu bedecken.
    Kerkring, schoss es ihm durch den Kopf. Ich werde auf dem Köpfelberg hängen. Nein, dafür werde ich gevierteilt.
    Er griff nach seinem Schwert.
    Am meisten verwirrten ihn die großen Augen. Die Männer, die Frauen und Kinder sahen ihm nicht einfach zu, sondern glotzten, als habe er das Feuer verursacht.
    Gewöhnlich war er hierher allein und heimlich gekommen, hatte sich stets wie ein Dieb über den Hof geschlichen und ihre Hütte betreten. Nun war er von Zuschauern umringt, die eine Traube bildeten und tuschelnd immer wieder auf die schwarzen, staksenden Balken zeigten.
    »Was haben die denn?«, fragte Kerkring und vermied es, sich noch einmal zu den ärmlichen Bewohnern der umliegenden Hütten umzusehen.
    »Sie

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