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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Rechten konnte er nicht stark drücken, und die Klinge war nicht sehr scharf. Es reichte, um Seile und Stoffe zu schneiden, aber eigentlich war das Messer zum Stechen gut. Verdeckt getragen eine vorzügliche Waffe. Zum Sezieren jedoch … Ich hätte Wiesberg beklauen sollen, schoss es ihm durch den Kopf, ich hätte diesem Wiesel die Truhe stehlen und den Medicus mit nichts als seiner Säftelehre allein lassen sollen.
    Er drückte die Klinge durch die Haut und hielt jäh inne. Der Blick. Er ertrug ihn nicht.
    Ich will, dass die Toten nicht mehr glotzen. Sie sollen weg. Ich will … Sie sollen raus. Sie sollen endlich raus aus meinem Haus, da oben. Und ich will den Schnee nicht. Der Schnee soll weg. Schmilz, du beschissener Schnee.
    Er legte dem Jungen eine Seite seines Braubuchs übers Gesicht, dann atmete er einige Male durch und stach schnell zu, stieß mit all seiner Kraft ins Fleisch. Er presste das Messer so tief hinein, wie er konnte, und schnitt von oben nach unten die Bauchdecke auf. In Ermangelung eines Spreizers nahm er sich einen Braulöffel, hielt die Bauchhöhle damit auf, klemmte die Kelle zwischen die Fleischlappen und den Stiel des Löffels in die rauen Steine der Wand. So hatte er immer noch beide Hände frei, um den Magen aufzuschneiden und ihn auszukratzen. Er nahm die Finger, weil er nichts Brauchbares in Reichweite fand, und klatschte den Inhalt auf den abgeputzten Zinnteller seines Herings mit Ingwer-Mandel-Soße.
    Es war nicht viel.
    Entweder, der Junge hatte bereits alles verdaut, das würde er gleich überprüfen, oder er hatte wenig gegessen. Letzteres war wahrscheinlicher. Ein bisschen Mus, vier Eicheln, ein wenig junge Rinde – das war alles, was er aus dem Magen schaben konnte.
    Kurz darauf überprüfte er auch den Darm. Er war so gut wie leer.
    Rungholt wusch sich die Finger im brackigen Wasser zu seinen Füßen und wischte sie an einem Fetzen der Kinderkleidung ab.
    Die nächste Kanne stürzend, sah er auf die wundklaffende Leiche. Er hatte gedacht, den Rest einer giftigen Pflanze im Magen zu finden oder eine ätzende Reaktion auf ein schlechtes Mahl – Reste von Schaum, Eiter, eine Überreaktion, aber da war nichts.
    »Schenkel und Bauch blutbesudelt … Bist im Liegen gestorben, zumindest nicht viel bewegt worden nach deinem Tod. Wachs an den Fingern … Er hat dich aufgebahrt in einem Kreis aus Kerzen. Muss er geklaut haben, die Kerzen … Aber was ist im Turm vorher geschehen?«
    Rungholt trank den Krug aus, meinte jedoch beim letzten Schluck etwas darin schwimmen zu sehen. Ein Stück Haut oder … Er verschluckte sich, das Bier spritze ihm aus Nase und Mund und saute seine Garnache ein. »Verdammt, verfluchte … Rungholt!«
    Im Schein der Tranlampe, mit der er die Kanne ausleuchtete, konnte er nur einen Fussel am Rand entdecken. Da war nichts.
    »Alles gut. Du machst das gut, Rungholt. Beruhige dich und bring’s zu Ende. Schritt für Schritt, auch wenn der Pfad steinig ist, setze Schritt um Schritt. Bring’s zu Ende.« Während er die Kanne zwischen die Beine des Kindes zurückstellte, fiel sein Blick auf seine Garnache und die Bierflecken. Er stutzte. »Blut auf dem Bauch und an den Beinen, hm«, brummte er. »Hast Blut gespuckt?«
    Mit einem der Kleiderfetzen umwickelte er die Gnippe, brach die Leichenstarre, indem er die Kiefer aufdrückte, und fuhr mit der Gnippe in den Mund des Jungen. So tief es ging, tauchte er in den Rachen ein und ließ das umwickelte Messer wandern. Als er es herauszog, konnte er tatsächlich Spuren von Blut erkennen.
    Abermals tastete Rungholt die Kinderbrust ab. Da war eine kleine Stelle. Eine gebrochene Rippe? Wenn ja, lag der Bruch länger zurück, denn auf der bleichen Haut konnte er keinen Bluterguss, keine Quetschung erkennen.
    Rungholt zapfte nach, trank und setzte noch einmal die Gnippe an. Er vollführte mehrere Schnitte, drang durch Haut und Fettgewebe und ließ die Klinge von beiden Schlüsselbeinen zum Brustbein wandern. Wie er erwartet hatte, war der Junge ausgezehrt, kaum Fett zu durchtrennen, dennoch musste er die Schnitte mehrmals mit dem Klappmesser nachziehen, um tief genug zu kommen. Schließlich ließ er die Klinge ein paar Mal Richtung Bauch wandern und öffnete dem Jungen die Brust.
    Er schälte den Leib förmlich auf, suchte sich zwei Backsteine von einem Haufen, der noch von dem Umbau von vor zwei Jahren stammte, und legte sie, angewidert und den Blick abgewandt, auf die wie ein Buch aufgeschlagenen Fleischlappen.
    Zwischen

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