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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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sich Leben nannte?
    Sein Vater hatte ihm den Weg nicht gezeigt. Der hatte nur gewollt, dass sein Sohn in den Rat kam und schnell Bürgermeister wurde. Nur damit hatte er sich ausgekannt, der alte Kerkring. Aber vom Leben, davon hatte er nichts verstanden.
    »Was habt Ihr?«
    Kerkring zuckte zusammen. »Nichts. Schickt einen Büttel zum Bürgermeister. Dartzow muss das sehen. Und dann besorgt mir eine Kiste, auf die ich steigen kann. Wir müssen das Varrecht abhalten.«
    »War es kein Unfall?«
    Kerkring schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube nicht.«
    Als sich der Fiskal umwandte und einen der Büttel herbeirief, zog Kerkring Rungholts Brille aus seinem Lederbeutelchen. Jeder kannte die Stegbrille mit dem gesprungenen linken Glas. Wer hatte schon eine Brille? Man konnte sie in Lübeck an zwei Händen abzählen. Er drückte sie unbemerkt in die halb von den Flammen weggefressene Klaue der Knochenfrau.
    »Das kostet aber extra«, schimpfte Marek. »Lässt mich mit diesem Karren aus Lübeck rausfahren. Von wegen bis zur nächsten Ecke.« Der Kapitän stank nach Pferd und konnte seine Zunge wie so oft nicht im Zaum halten. »Und dann schießen sie auf mich, und ich … Ich ab in den Wald. Hab mir den Kopf gestoßen. Weißt du, wie ich den Wald satthabe? Da draußen vor Lübeck ist nichts außer Verderben. Ich will aufs Wasser. Ich muss wieder Schiffsplanken unter mir haben, das sag ich dir aber. Wenn die Möwe nicht auf dem Spiel stehen würde, lieber Mann, dann wäre ich aber weg, weg wäre ich dann. Das sag ich dir aber.«
    »Hol erst mal Luft. Hier.« Rungholt warf ihm seine Garnache zu. »Du frierst. Komm mit, hinten hab ich den Kamin an.«
    »Hast du gesoffen?«
    »Was?«
    »Du riechst … Mann. Und warum schleichst du hier mit erhobenem Schwert herum?«
    Rungholts Antwort war ein Knurren, er war beschäftigt damit, die Tür erneut zu verriegeln.
    Der durchnässte und dreckbesudelte Marek ließ seinen Blick durch die überflutete Brauerei schweifen. »Gesellig hier. Hat Alheyd dich endgültig vor die Tür gesetzt, und nun legst du die Beine bei einem Bierchen hoch?«
    Rungholt leuchtete ihnen den Weg bis zum Durchlass. »Was war denn überhaupt los?«, wollte er wissen.
    »Ha!«, begann der Kapitän erneut. »Das wirst du nicht glauben.« Ohne Punkt und Komma berichtete er vom Wal am Holstentor, vom toten Ochsen und dem langen Weg in die Wälder vor Lübeck bis zu den Scheunen. »Es waren Handwerker. Allesamt. Ein Seiler, ein Lederer, Poling, der Schiffbauer. Meenkens und Peterchens Vater … Die stecken alle zusammen. Sie bauen einen Kraken.«
    Rungholt blieb stehen und musterte Marek stirnrunzelnd.
    »Aus Holz. Hoch wie ein Haus.« Er nickte sich selbst zu, versuchte mit den Händen zu beschreiben, was er gesehen hatte. Polings Riesenfass, die schmalen Fässer, das Geflecht aus Seilen, die langen Schläuche. »Sie hatten ihn an einem Kran aufgehängt, und sie haben alles kalfatert und mit Pech eingestrichen. Wie bei einem Schiff, aber ich … OH MEIN GOTT !« Marek taumelte zurück. »Vater unsir. Giheiliget sey din namo«, stöhnte er matt und hielt sich an Rungholt fest. Der Anblick des geöffneten Kindes hatte ihm die Sprache verschlagen.
    »Ich wollte dich warnen. Aber du warst gerade so schön am Erzählen …«
    »Du hast noch ein Kind gefunden?«, fragte Marek ungläubig und schluckte.
    »Ja. In Gryps’ Versteck.«
    »Aber … aber … Nimm bloß die Fackel runter, will gar nicht so viel sehen, sag ich dir … Mein Gott …«
    Noch immer musste der Kapitän um Worte ringen. »Ich verstehe nicht … Was hat der Handwerkerzirkel, haben diese Aufständischen … Also … was haben die mit den Kindern zu tun? Warum entführen ein Seiler, ein … Schiffbauer und ein Schmied Kinder? Brauchen sie die für diesen … diesen schwimmenden Kraken?«
    Rungholt knurrte ein »Ja« und ging zum Tisch voraus. »Ich glaube, du liegst gar nicht so falsch. Sie brauchen sie für den Kraken. Aber der soll nicht schwimmen.«
    Marek musterte Rungholt fragend.
    »Komm her«, forderte der seinen Kapitän auf. Marek brauchte eine ganze Weile, bevor er sich tastend und seitwärts zum Tisch mit der Leiche vorschob. Es sah aus, als nähere er sich einem gefährlichen Feuer.
    Mit der Gnippe stieß Rungholt den Lesestein von seinem Fund.
    »Er soll nicht schwimmen, Marek. Der Krake soll tauchen.«
    Es waren Gräten.
    Das Kind hatte einen Fisch eingeatmet. Einen Fisch, so groß wie ein Daumennagel.
    Der Junge war vor Tagen

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