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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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der Fackeln, Rungholt konnte erkennen, wie der aufgedunsene Mann abwinkte, bevor er auf die Straße trat.
    »Helft mir! Es werden noch mehr sterben. Das hört nicht auf. Helft mir! … Kerkring!«, rief Rungholt ihm nach. Dann fiel die Badtür zu.
    Rungholt blieb noch viele Atemzüge lang sitzen, starrte ins Wasser. Was ich auch tue, dachte er. Es ist stets verkehrt. Mir steht das Wasser wirklich bis über beide Ohren, de Kraih hat Recht. Ich tauche seit der Groten Mandränke in einem Meer ohne Grund und Wellen. Er wischte die Lindenblüten beiseite, sah die Sanduhr am Grund des Zubers und ließ sich langsam hinabrutschen.
    Wie damals, als er Mirke in den Krähenteich gefolgt war, spürte er das Wasser über sich zusammenschlagen.
    Es kam ihm vor, als wäre er zu Hause.
    Die Welt war ruhig.

40
    Heiliger Sonntag. Wie ein Dieb sah sich Rungholt nach allen Seiten um, bevor er das Kugelschloss öffnete und die Kette wegzog, mit der er vor dem Badbesuch seine Brauerei versperrt hatte. Voller Grimm auf Kerkring war er so lange im Zuber geblieben, bis das Wasser eiskalt war, dann hatte er seine Sachen zusammengerafft und beschlossen, direkt in die Brauerei zu gehen. Mochte Alheyd doch fluchen und grübeln, wo er steckte.
    Ihm lief die Zeit davon. Es war weit nach Matutin, in wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen und der Sonntag endgültig anbrechen. Nur noch zwei Tage. Zwei Tage, und d’ Alighieri riss sich Haus und Schiff unter den Nagel. Und die Brauerei.
    Im Inneren des Hauses in der Hundegasse war es kühl. Das Regenwasser hatte die Keimkästen und das Kühlbecken überspült. Seitdem er den Jungen hergebracht hatte, war es angestiegen. In der trüben Flut schwammen Braukellen und leere Fässer. Die Gerstenkeime und der Unrat, der unter der Tür hindurchgespült wurde, ließen das Wasser übel riechen.
    »Ich sollte d’ Alighieri mit der Pampe ein schönes Bierchen brauen«, brummte Rungholt, schob eines der Fässer beiseite und schnappte sich einen Riegel. Die Latte war gut zwei Handbreit dick. Er ließ sie in die Eisenösen der Tür krachen, traute dem Frieden aber erst, nachdem er am Blatt gerappelt hatte. Selbst eine Handvoll Männer mit Rammbock hätten nicht so einfach eindringen können.
    Ob Kerkring ihn für so dreist hielt, das Kind in die Brauerei zu bringen?
    Dieser Muskopp würde doch wohl nicht Riddere abziehen und mit bewaffneten Soldaten sein Haus stürmen?
    Nein. Es gibt Gesetze, und an die hat sich auch der Rychtevoghede zu halten. Immerhin mag auch Dartzow den jungen Bangbüx nicht.
    Rungholt wandte sich zum Sudkessel um, schritt an den unbrauchbar gewordenen Keimkästen vorbei und erreichte am Ende des Brauraums den schmalen Durchlass, der zu seiner Schreibkammer führte.
    Hier klebten die Reste der Gerste an den Wänden, die in den überspülten Kästen zu Grünmalz hätte werden sollen, zusammen mit Biergewürzen, Spelzen und Dreck. Die Brühe stand bis kurz unterhalb des Kamins.
    Er holte sein Tongefäß mit dem Zunder heraus. Der gebeizte Pilz glühte nicht mehr, aber Rungholt entfachte ihn mit wenigen Schlägen seines Feuereisens. Er legte die glimmenden Krumen auf die Kaminsteine, pustete behutsam und nahm ein bisschen Wolle aus dem Gefäß. Trotz seiner dicken Finger gelang es ihm schnell, sie zu entfachen und damit etwas Stroh in Brand zu setzen. Dann schob er alles in den Kamin und legte Reisig drauf. Er watete zu einer Fackel an der Wand, zog sie aus dem Eisenring und steckte sie an. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, so viele Lichter zu entzünden, aber ihm war jetzt schon klamm. Seit Tagen stand er im Wasser. Im Badhaus war er erschrocken, weil sich die Haut an seinen Füßen bereits abschälte und seine Zehen aussahen, als wäre er ein hundertjähriger Greis. Und das, bevor er in den Zuber gestiegen war.
    Nach einigem Suchen entschied er sich, seinen Stuhl zu zerschlagen und damit den Kamin zu füttern, denn das Brennholz war nass.
    Rungholt wandte sich dem toten Kind zu. Noch immer strahlte der Junge eine bedrückende Art von Zufriedenheit aus. Dabei wirkte er hier, auf Rungholts immer noch behelfsmäßig aufgebocktem Schreibtisch, wie ein vergessenes Stück Ware. Rungholt hatte nicht gewusst, wo den Jungen sonst hinlegen. Er bekreuzigte sich und entfachte noch eine Tranlampe, weil es keine Möglichkeit gab, die Fackel nah genug an den Tisch zu stecken, und er beide Hände brauchte.
    Zögerlich begann er, den Jungen auszuziehen, schnitt mit der Gnippe behutsam die Kleider auf

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