Flying Moon (German Edition)
überhaupt für mich?
Ich sah nach oben. »Was wärst du, wenn du ein Planet wärst?«
Er blinzelte. »Erde.«
»Erde? Warum?«
»Weil der Mond sich die ganze Zeit um die Erde dreht.«
Er sagte es ganz ernst, beugte sich dann zu mir und küsste mich sanft auf den Hals.
6.
Wir fuhren am späten Nachmittag mit dem Zug nach Leipzig. Am Vormittag war ich noch ein letztes Mal in der Schule gewesen und wurde von allen beneidet, weil ich nun bis zu den Ferien frei hatte. Auf dem Bahnhof gab es ein richtiges Aufgebot als Sophia und Johann, meine Mutter, Anne, Lion und auch die Mutter von Karl erschienen. Sie begrüßte mich steif und unterhielt sich dann professionell höflich mit meiner Mutter.
»Ich habe dein Handy aufgeladen«, sagte Mom, während sich Karl die Handynummer seines Hausarztes von seiner Mutter ins iPhone diktieren ließ.
»Ich rufe dich an!«, sagte Johann. »Habt ihr Internet?«
Ich hatte keine Ahnung.
»Ich hoffe, es gibt einen guten Empfang«, sagte Karl und zeigte auf seinen Laptop. »Moon, wenn du willst, kannst du deine Mails bei mir checken.«
Ich holte mein Handy raus. »Klar, wenn ich mit meinem Faustkeil Feuer gemacht habe, kannst du dir zum Ausgleich gerne die Finger daran wärmen.«
»Von deiner Gage kannst du dir ja ein besseres Handy kaufen«, sagte Mom leicht beleidigt, da sie mir ihr altes Handy vererbt hatte.
»Schon okay, wir können Rauchzeichen geben!«, sagte Johann und grinste.
Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, umarmten wir uns in einem aufgeregten Durcheinander, dann stiegen wir ein. Karl lud einen riesigen Koffer, einen Rucksack und eine Laptoptasche in den Zug. Ich hatte nur Moms Rucksack und eine kleine Umhängetasche dabei.
»Was ist das?«, fragte ich fassungslos mit einem Blick auf sein Gepäck, als wir unsere Plätze gefunden hatten.
»Meine Mutter«, sagte Karl resigniert und winkte mechanisch aus dem Fenster.
Auf der Fahrt redeten wir wenig, Karl surfte auf seinem Laptop, ich las in dem Reclam-Heft, das meine Mutter mir mitgegeben hatte. Die Poetik des Aristoteles . Angeblich ein wichtiges Buch für jeden angehenden Schauspieler.
In Leipzig wurden wir am Bahnhof von einem Fahrer abgeholt, der sich als Peer vorstellte. Er schnappte sich grinsend Karls Schalenkoffer und führte uns zu einem Van.
»Mädchen und Gepäck ...«, sagte er und zwinkerte Karl zu, der verlegen wegsah.
Der Weg zum Kinderheim führte über eine mehrspurige Autobahn durch ein sich kilometerweit ausdehnendes Industriegebiet. Ich sah aus den großen Panoramafenstern, während Peer uns erklärte, was für ehrgeizige Pläne Leipzig in den kommenden Jahrzehnten hatte.
Etwas später wich er von der Autobahn ab und ruckelte mit uns über kleine Straßen immer weiter aufs Land. Felder, Bauernhöfe. Und schließlich ein kleiner Feldweg zu einem einsam in der Landschaft liegenden Gebäudekomplex.
Das Kinderheim.
Der große hufeisenförmige Bau schloss einen Innenhof mit einer riesigen Eiche ein. Kinder rannten herum und spielten Fangen und kreischten. Mir wurde auf einmal klar, dass das Kinderheim bewohnt war und für die spielenden Kinder ihr richtiges Zuhause.
Peer hielt vor einem Nebengebäude. »Das ist der leer stehende und für uns hergerichtete Trakt.«
Als er den Motor ausschaltete, sprang eine Horde Kinder auf das Auto zu.
»Eure Fans warten!«, sagte Peer und grinste. Er stieg aus und ging zum Kofferraum.
Die Kinder waren zwischen sechs und sechzehn und kamen aufgeregt auf das Auto zugelaufen. Im Hintergrund riefen die Erzieher die Neugierigsten zurück. Ein kleines Mädchen drängelte sich vor und stellte sich genau vor mich.
»Bist du Schauspielerin?«, fragte sie aufgeregt.
Ich schüttelte den Kopf.
Peer grinste. »Natürlich ist sie Schauspielerin!«
Im Gebäude roch es muffig und feucht nach Kohleheizung und versotteten Öfen. Den Geruch kannte ich gut, doch Karl kräuselte kritisch die Nase. Peer führt uns in einen großen Raum, der als Speiseraum diente. In der Ecke standen Tapeziertische, auf denen verschiedene Gerichte warm gehalten wurden, daneben Teller, Besteck. Ein Teil der Filmcrew war noch beim Essen.
Peer stellte die Koffer ab. »Ihr könnt hier warten und etwas essen, wenn ihr wollt.«
Wir lehnten beide ab. Kaum saßen wir, kam Silvia, die ich vom Warm Up schon kannte, mit einem quirligen, blonden Typ auf unseren Tisch zu. Sie begrüßte mich und Karl herzlich und zeigte auf ihren Begleiter.
»Das ist David. Er ist mein Assistent, also im wesentlichen
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