Flying Moon (German Edition)
»Wie lange hast du Pause, Moon?«
»Eine Woche.«
»Saarbrücken wird geil. Ich kenne das Hotel, echt abgefahren. Sauna, Schwimmbad und jeder hat sein eigenes Zimmer, nicht Lasse?«
Lasse nickte ruhig.
Krista kam in den Raum und flog praktisch auf mich zu.
»Wo warst du?«
Sie sah kritisch zu Lasse und zog mich an einen freien Tisch außer Hörweite der anderen.
»Komm, wir setzen uns hier hin.«
Obwohl wir weit weg von den anderen saßen flüsterte sie.
»Moon, wo warst du heute Nacht?«
»Ich wollte euch nicht stören.«
»Was? Na, hör mal, es ist auch dein Zimmer.«
Ich spürte, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte.
Sie sah zu Lasse hinüber. »Warst du bei ihm?«
»Er hat mir sein Bett angeboten.«
Krista riss die Augen auf, kritisch und überrascht zugleich.
»Aber«, fügte ich rasch hinzu, »es war nichts, er war ... einfach nur nett.«
Krista zog ihre Augenbrauen missbilligend zusammen, als wäre das bei Lasse komplett ausgeschlossen.
Marco kam in den Speiseraum, grüßte in die Runde, schlenderte auf Krista zu und küsste sie in den Nacken.
»Wolltest du nicht Kaffee holen?«, fragte er zärtlich.
Krista lächelte. »Moon fährt gleich, wir müssen uns doch verabschieden.«
Wir standen auf und umarmten uns.
»Pass auf dich auf!«, sagte sie und kniff kokett ein Auge zu.
18.
Die Rückfahrt kam mir kurz vor. Karl vermisste Krista, ich Lasse. Er litt und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und ich tat das gleiche. Während der zweistündigen Fahrt suchten wir immer wieder nach unverfänglichen Gesprächsthemen, aber schließlich gaben wir auf und schwiegen. Ich dachte an zuhause und Johann. Er war auf einer Studienreise in London und während ich es vorher bedauert hatte, war es mir nun ganz recht. Ich hatte das Gefühl, monatelang weg gewesen zu sein und mich komplett verändert zu haben. Alles kam mir seltsam unwirklich vor.
Ich verabschiedete mich von Karl, der immer noch ganz erstarrt im Auto saß und von Peer.
Als ich in die Wohnung kam, traf ich meine Mutter in der Küche bei einem Tee. Sie war allein.
»Moon!«
Sie sprang auf, kam um den Tisch und umarmte mich.
»Magst du einen Tee?«
Sie setzte frisches Wasser auf und sah mich neugierig an.
»Wie war es, erzähl mal!«
Ich erzählte von den Dreharbeiten, den Leuten, dem Team aber die ganze Zeit schwebte ein anderes Thema über dem Tisch und schließlich sprach ich es an.
»Was ist mit Lion? Werfen sie ihn von der Schule?«
Meine Mutter wurde sofort ernst.
»Hör mal, Moon. Du weißt, dass ich euch immer in Schutz nehme, verteidige. Aber es gibt da noch eine Gesetzgebung. Eine Schulpflicht!«
»Seit wann ist das wichtiger als ...«
»Als was? Wenn Lion glaubt, er kann das alles ignorieren – ich habe doch nicht die Macht, mich über die Gesetze hinwegzusetzen! Soviel müsst ihr doch verstanden haben. Wenn Lion weiter klaut ... weißt du, was das bedeutet?«
Natürlich hatte ich eine Vorstellung davon.
»Ich weiß nur, dass er auf keinen Fall in ein Erziehungsheim kann. Es ist schrecklich, Mom, du kannst dir das nicht vorstellen ...«
»Ach, Moon, das ist doch nicht so wie in deinem Film.«
Ich sprang auf, rannte in mein Zimmer und warf mich aufs Bett. Meine Mutter kam hinter mir her und setzte sich vorsichtig neben mich.
»Moon, wir werden sehen.« Ihre Stimme klang unsicher.
»Sag doch was.«
Ich konnte nicht antworten, ich war damit beschäftigt, meine Tränen durch Einatmen wieder in meinen Körper zu saugen. Sie schwieg und ich sah aus den Augenwinkeln, wie sie ihre Hände knetete.
»Moon?«, sagte sie ernst. »Ich habe Paul angerufen.«
Ich schoss hoch. »WAS?«
Fast ein Jahr lang erklärte sie meinen Vater für tot und jetzt rief sie ihn einfach an?
»Wieso?«
Sie hob die Hände zur Verteidigung.
»Sei doch nicht so entsetzt! Ja, meine Güte, ich habe ihn angerufen. Ich werde mit Lion nicht fertig, er ist schließlich auch sein Sohn.«
»Wann?«
»Er kommt morgen Abend in Tegel an. Ich habe ihm auch von deinem Filmprojekt erzählt, wenn er kommt, reden wir über alles.«
»Du meinst über uns.«
»Über alles und sicher, auch über dich und Lion. Ich habe Lion noch nichts davon gesagt. Vielleicht kannst du das übernehmen?«
Ich blieb eine halbe Ewigkeit auf dem Bett liegen, dann raffte ich mich auf und packte meinen Rucksack aus. Mein Vater kam. Ausgerechnet jetzt. Ich dachte an das Bergfest, das Tanzen und an Lasse. Eigentlich machten alle meine Gedanken diese seltsame Schleife.
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