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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
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Und Arm in Arm sangen
     wir:
     
    If I was a sculptor , but then again, no
    Or a man who makes potions in a travelling show
    I know it’s not much but it’s the best I can do
    My gift is my song and this one’s for you 9
     
    In jenen Minuten säuselte sie mir ins Ohr, dass aus mir eines Tages ein ganz Großer werde. Tja, und heute bin ich Referendar
     und werde wahrscheinlich, sofern ich überhaupt mein Zweites Staatsexamen bestehen sollte, wegen meiner Fächer nie eine Stelle
     erwischen. Trotz meines jahrzehntelangen Verzichts auf jegliche Freuden: keine Freunde, keine Freundinnen, keine Partys, keine
     Konzerte, keine Gesetzesübertretung, kein Exzess, keine Drogen, dafür ein Keine-Macht-den-Drogen-Rucksack. Wenn ich mir mal
     einen Cocktail gegönnt habe, dann einen Kirsch-Bananen-Saft. Eine langweilige Biografie und wahrscheinlich noch dazu eine
     uninteressante Persönlichkeit sind das Ergebnis. Ich habe nichts Aufregendes erlebt. Und nicht mal einen Job, in dem ich Anerkennung
     erhalte. Ich komme mir ein bisschen verarscht vor. Und kann darum Schülern, die keinen Bock auf Lehrer und Schule |100| haben, ihre Einstellung nicht verübeln. Im Gegenteil, ich achte darauf, dass sie sich nicht verbiegen.
    Mehrmals bestellte ich schon Eltern ein:
    «Ihr Sohn macht mir in Geschichte Sorgen.»
    «Wieso? Da hat er sich doch verbessert.»
    «Eben! Er hängt zu viel mit den Strebern ab. Dieser Umgang ist nicht gut für ihn. Wirken Sie bitte auf ihn ein, damit er wieder
     mehr mit den Schwänzern verkehrt! Er ist so ernst in letzter Zeit. So wenig ausgelassen.»
    Die Musterschüler möchte ich nicht noch in ihrem Lerneifer bestärken beziehungsweise ihr Strebertum übermäßig honorieren.
     Denn entweder sind sie bereits karrierefixierte, aalglatte Langweiler, also eigentlich unsympathisch und verdienen keine zusätzliche
     Anerkennung. Oder sie folgen nur Leistungserwartungen, die von außen an sie herangetragen werden, fügen sich also familiären
     und gesellschaftlichen Begehrlichkeiten. Sie erhalten in diesem Fall gar nicht die Möglichkeit, sich zu fragen, was sie eigentlich
     wollen. Da wäre es doch falsch, wenn ich als Lehrer den Druck zusätzlich erhöhen und nicht gegensteuern würde.
    In meiner neunten Klasse hatte ich ab dem zweiten Halbjahr einen Schüler, Yannick, der von der Hertz-Oberschule in Berlin
     kam und schon mehrere Jahre in Frankreich gelebt hatte. Bei der Vorstellung erzählte er, dass er gern Käse und Wein in den
     Galeries Lafayette kaufe, auf Französisch, obwohl wir im Geschichtsunterricht waren. In jenem Moment hatte ich mir geschworen,
     ihn fertigzumachen. Auch wenn Yannick das anders beurteilte – irgendwann würde er kapieren, davon war ich überzeugt, dass
     ich es eigentlich gut mit ihm meinte und nur verhindern wollte, dass er genauso endete wie ich.

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Mein bester Freund
    Sosehr ich schwierige Jugendliche auch mag, ein geregelter Unterricht wird durch sie nicht leichter. Um permanentes Chaos
     im Klassenraum zu vermeiden, muss den Schülern darum von der ersten Minute an klar sein, wer im Unterricht der Boss ist. In
     meiner 7c, die ich Mitte des zweiten Halbjahrs noch zusätzlich bekam, weil der Geschichtskollege Herr Schwanitz ausfiel, war
     das Murat, der dank mehrmaligem Wiederholen von Klassenstufen in der Grundschule körperlich deutlich entwickelter war als
     seine Mitschüler. Er war einen Meter fünfundsiebzig groß, also ein paar Zentimeter größer als ich, hatte aber einen vergleichbar
     starken Bartwuchs, nur dass er sich keinen Kinnbart stehen ließ, sondern seine schwarzen Stoppeln gerecht über beide Wangen
     verteilt hatte. Seinem breiten, schweren Gang, seinen immer leicht vom Rumpf zur Seite abstehenden Armen sah man an, dass
     er Krafttraining betrieb. Außerdem war er, wie man mir zugetragen hatte, in verschiedenen Kampfsportarten äußerst versiert.
    In der Klassenhierarchie folgte nach Murat gleich ich, denn ich hatte mich früh um ein gutes Verhältnis zu ihm bemüht, aus
     meiner schon bekannten Sympathie für sogenannte Problemschüler, aber auch aus strategischen Gründen. So malte ich mir aus,
     dass es besser war, Murat ins Boot zu holen, als ihn zum Feind zu haben. Außerdem hatte ich bis zum Ende des Schuljahres noch
     einige Lehrproben in meinen anderen Klassen zu überstehen und konnte gerade kein neues Schlachtfeld gebrauchen. Natürlich
     hört sich das nicht nach uneingeschränkter Lehrerautorität an. Aber wenn ich meinen Status in

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