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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
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mit Sandalen konfrontiert, aus denen dicke, warme Wollsocken hervorquellen.
     Besonders der praktische Schlabberpulli aus Schafswolle ist die optimale Bedeckung für den Oberkörper eines jeden Unterrichtenden,
     da er sich über den Schweißausstoß diskret ausschweigt. Denn Schweiß gibt Anlass zu Spott und ist der größte Feind des Lehrers,
     neben Pickeln, unter denen natürlich auch Schüler leiden. Aber da fällt es nicht so auf, es stechen eher die Schüler ohne
     Pickel hervor.
    Am Werner-Heisenberg-Gymnasium war es genauso. Viele Kollegen entsprachen den lehrertypischen Modeklischees, von denen ich
     mich mit meinen Schlaghosen und Carhartt- T-Shirts abhob. Anders als das Gros der Lehrer entsprachen die Schüler jedoch nicht meinen Erwartungen. Es gab zwar ein paar Emos
     und ein paar Hip-Hop-bedingte Baggy Pants, aber wegen des hohen Ausländeranteils traten die meisten Jugendlichen ziemlich
     züchtig auf. Die vielen türkischen Jungen warteten zwar oft mit |128| ihrem obligatorischen Goldgehänge und ihrer gegelten Kurzhaarfrisur auf, aber bei ihren Jeans schloss der Bund in der Regel
     nicht so tief ab, dass der Weg bis zum T-Shirt von der Unterhose überbrückt werden musste. Viele waren auch in Weiß gewandet, von den Basecapes bis zu den Turnschuhen,
     oder im Camouflagestil.
    Die Mädchen kleideten sich selten auffällig, die meisten erfreulich wenig figurbetont. Als ich das erste Mal vor die Klasse
     trat und die Schülerinnen musterte, konnte ich mir einen Seufzer der Erleichterung über das Vorhandensein von Kopftüchern
     im Kurs nicht verkneifen. Für religiösen Fundamentalismus habe ich nichts übrig, aber in diesem Fall wurde es für mich einfacher,
     mich im Unterricht nicht von meinen Lehrerpflichten ablenken zu lassen.
    Eine sichtbare Ausnahme bildeten die russischen Schülerinnen, die nicht selten bauchfrei und in Hot Pants in der Schule erschienen.
     Außerdem schminkten sie sich so stark, als befürchteten sie, die Mauer könne jederzeit wieder aufgebaut werden und sie müssten
     deshalb mit einer Make-up-Maske vorsorgen, die bis ans Lebensende hielt. Aber bislang war ich mit den Russinnen gut zurechtgekommen.
     Ich nahm sie im Unterricht einfach nicht dran. Mir kam dabei entgegen, dass sich Schülerinnen, die sich viel mit ihrem Äußeren
     beschäftigen, sowieso fast nie beteiligten.
    So war das eigentlich bisher auch bei Chantal-Michelle gewesen. Sie trug ein Trägershirt, bei dem die Träger fehlten. Und
     ihr Ausschnitt schien erst kurz über dem Bauchnabel zu enden. Ich konnte mich, um mir diese Zurschaustellung von Haut zu ersparen,
     auch nicht hinter sie stellen, denn dann blickte ich auf ihr Arschgeweih, das tief in ihrem Gesäß verschwand. Der String ließ
     sich gar nicht erst blicken.
    Ich erteilte ihr das Wort, was sie nicht sofort begriff, denn wie immer, wenn ich eine sexy gekleidete Schülerin aufrief,
     blickte ich dabei den hässlichsten Jungen der Gruppe an, in dieser Klasse war |129| es Daniel. Erst als ich ihren Namen hinzufügte, dämmerte es bei ihr. Dann sagte sie:
    «Herr Serin, Ihr Hosenstall!»
    Die Situation war äußerst peinlich. Als Lehrer konnte ich natürlich nicht frei antworten. Darum musste ich mir die lustige
     Entgegnung: «Du findest meinen Hosenstall wohl geil? Willste mal anfassen?» leider verkneifen. Stattdessen erwiderte ich:
     «Das muss so sein! Ein offener Hosenstall ist bei Lehrern gerade in.» Um glaubhaft zu bleiben, unterrichtete ich bis zum Ende
     der Stunde mit offenem Reißverschluss. Von der kommenden Stunde an trug ich aber immer einen langen, wollenen Schlabberpulli.
     Der hatte zudem den Vorteil, dass man bei ihm nicht so stark wie bei meinen Carhartt- T-Shirts erkennen konnte, wie sehr ich schwitzte.

|131| 20
Sie knutscht nicht mit mir
    «Und, was macht deine
Spiegel
-Karriere? Hab jarnichts von dir gelesen.»
    «Das muss wohl daran liegen, dass ich nicht beim
Spiegel
bin.»
    Ich wusste natürlich, dass Nikon nicht ernsthaft an meiner beruflichen Entwicklung Anteil nahm, sondern nur darauf aus war,
     vermeintlich Schwächere im Beisein anderer durch abwertende Kommentare und Witze unterhalb der Gürtellinie lächerlich zu machen.
     So wie zu unserer gemeinsam Schulzeit. Zwar war er schon damals verbal nicht wirklich schlagfertig gewesen, aber unter Jugendlichen
     waren andere Eigenschaften deutlich wichtiger für die Stellung in der Klassenhierarchie. Und niemand unter uns hätte es sich
     getraut, Nikons großer, massiger

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