Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
Hausarzt? Oder hatte dein
Vater Freunde, von denen du auch hie und da etwas hörst? Ist vielleicht ein Arzt
darunter, mit dem du einfach einmal reden kannst?«
»Die Freundinnen
meiner Mutter sind eigentlich die Frauen der Freunde meines Vaters. Das sind nicht
richtige Freunde oder Freundinnen, das geht alles über den Beruf oder das Geschäft.
Da trifft man sich jeweils in Rudeln, lacht zusammen, redet zusammen, isst und trinkt
miteinander – und dann geht man wieder heim. Ich würde mich nie an jemanden von
ihnen wenden. Es ist sowieso kein Arzt dabei.«
Nun, das
war ja dann wohl klar. Pamela war sich bewusst, was es Francis gekostet haben musste,
ihr das zu sagen. Er war allein. Sie tastete sich vor, meinte behutsam: »Es ist
schlimm, wenn es ihr so schlecht geht.«
Francis’
Wangenknochen traten etwas hervor, er erwiderte scharf: »Nicht viel schlimmer, als
wenn sie eine Fremde wäre, also leid tut sie mir schon, und Mitgefühl habe ich auch
für sie. Aber es bringt doch nichts, zu leiden.«
Darauf ließ
sich wenig sagen.
Pamelas
Schweigen schien ihn zu provozieren. Jetzt regte er sich auf. »Du denkst, das ist
schlecht, sag es schon. Ich sollte mich darum kümmern, ob da etwas schiefläuft,
ob sie zu viel Medikamente erhält oder die falschen, dass es für die Klinik großartig
ist, sie in diesem Zimmer zu haben und zu beobachten, Tag für Tag bezahlt die Krankenkasse
ein Einzelzimmer mit Service und Drum und Dran und teuren Medikamenten. Die Klinikleitung
habe meinen verstorbenen Vater gekannt, sagt die Ärztin. Das soll ein Zauberwort
sein mir gegenüber. Aus Freundschaft verbuche sie diesen Aufenthalt als ›wissenschaftliche
Beobachtung‹ und erlasse uns so die restlichen Kosten. Mein Onkel Anthony meint,
dies sei generös.« Jetzt brach seine Stimme.
Pamela war
sprachlos, so etwas hatte sie noch nie gehört. Was Francis sagte, war genau besehen
eher seltsam. »Und was meinst du? Du bist bald 18, da ist man so gut wie erwachsen,
zumindest in vielen Belangen, einige sind es.«
Erst gab
er sich abschließend: »Es muss ein Unfallschaden sein, nicht nervlich bedingt. So
ein totaler Zusammenbruch, wenn mein Vater stirbt, passt nicht zu meiner Mutter.
So sehr hat sie ihn nicht geliebt.« Doch jetzt brach es aus ihm heraus, er ereiferte
sich erklärend: »Sie war mit sich als Person, ihrem Outfit, ihrem Vergnügen und
ihrem gesellschaftlichen Umfeld beschäftigt; sie behauptete, das nütze meinem Vater.
Wäre es nur ein Schock, hätte sie sich doch längst wieder auf das Ordnen der Finanzen
und alle rechtlichen Folgen des Todes meines Vaters gestürzt, tüchtig und effizient.
Wenn sie jetzt so halbtot in einem Zimmer sitzt, ist sie ein Zombie, eine Hülle,
die von Medikamenten am Leben gehalten wird. Sie wäre besser tot.«
Pamela verschlug
es fast die Sprache, »Wow, das tönt aber sehr direkt.«
Francis
schaute störrisch, meinte bockig: »Ich hab ja gewusst, dass du gar nichts verstehst.«
Pamela überlegte,
»Ich muss mir selber ein Bild machen. Weißt du was? Wenn es dir recht ist, mache
ich einen Besuch in der Klinik. Ich werde auf der Station nach den Medikamenten
fragen. Doch ich werde nicht überprüfen können, ob die Antworten stimmen. Man kann
mir das eine sagen und Maude das andere geben. Ich kann dann auch Emily fragen,
sie kennt sich hier in Bern mit den Ärzten ganz sicher etwas aus, sie ist ja deine
Patentante und Maudes Jugendfreundin. Ich denke, man sollte das schon nicht einfach
einer Klinik überlassen, das sagt mir mein gesunder Menschenverstand.«
Schon am nächsten Morgen meldete
sie sich telefonisch zu ihrem Besuch in der Klinik Botanique an. Sie wurde zum Stationsleiter
durchgestellt. Sie stellte sich vor als eine enge Freundin von Maude Berry, Francis
Berry sei in ihrer Obhut. Zu Pamelas Überraschung versuchte dieser Stationsleiter,
sie abzuwimmeln. Durchaus Zucker zwar, doch eher so ein hartes, braunes Kandiszuckerstückchen,
man könnte sich einen Zahn ausbeißen. Ihr Name stand nicht auf seiner Liste der
Auskunftsberechtigten. Dieser Mann wusste nicht, dass ein so seltsames Nein Pamelas
Widerspruchsgeist weckte. Natürlich machte sie sich auf den Weg.
Die Klinik
befand sich am Hang zum Botanischen Garten, schräg unter der Kornhausbrücke. Den
Weg kannte sie von ihren Gängen zur Botanischen Bibliothek. Es war nicht allzu weit,
also ging sie zu Fuß über die Brücke, es war zu warm, sie trug zu elegante Schuhe,
kam beinahe ins Schwitzen.
Natürlich
dachte sie an
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