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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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der kleinsten
Pflanze sei das Universum gespiegelt; das solle nicht hohl tönen, es sei ein Tatsachensatz.
Und der Mensch seinerseits sei wiederum ein genaues Abbild dieses Universums, das
gleiche Lebensprinzip wirke in allem.
    Pamela lachte:
»Steiner lässt grüßen! Bist du jetzt bei den Romantikern gelandet?« Auch Lucius
lachte: »Du weißt, meine Generation prägte den Satz: Die Fantasie an die Macht!
Heute ist der Streit wieder voll im Gange, ob der Geist die Realität, auch jedes
Atom der Materie bildet oder ob es nichts gibt außer Materie. Was ich heute weiß,
war schon in meiner Jugend da, nur anders formuliert.«
    Pamela war
glücklich, genoss die Vertrautheit, die Weite der Gedanken. Die Internatszeit hatte
ihr und ihren Eltern die pubertären Auseinandersetzungen erspart. Wie mochte Francis’
pubertäres Verhältnis zu seinen Eltern gewesen sein? Sie schob es beiseite.
     
    Ihre Arbeit interessierte Lucius.
Es sollte ihr Ziel sein, ihr Schreiben als Arbeit aufzunehmen, die nicht produktiv
war im Sinn des Bruttosozialprodukts. Es sollte ihre Antwort auf die Welt sein.
    Lucius zündete
sich eine Zigarette an. Pamela war überrascht, sie hatte sich an das überall schon
fast totale Rauchverbot gewöhnt, Rauchen war hier schon nicht mehr in Ordnung. Es
waren die Alten, die trotzig an ihrem Rauchen festhielten. »Du weißt, Rauchen ist
im Freien gerade noch geduldet. Aber wirf um Gottes willen die Kippe nicht zu Boden.«
    Augenzwinkernd
zog Lucius eine Pillenschachtel aus der Rocktasche: »Die Amerikaner sind sogar in
Alaska nicht viel besser. Darin sammle ich Kippen, originell, was? Rauchst du eine
mit?« Pamela zögerte. Sie hatte seit Monaten nicht mehr geraucht. War das jetzt
unter dem öffentlichen Druck geschehen, war sie dazu manipuliert worden?
     
    *
     
    Dann wieder saß sie wie in einem
Traum mit Lucius unter schon schattigen Bäumen im Gartenrestaurant des Schwellenmätteli.
Sie tranken Süßmost, aßen einen Fisch, heute gab es Saibling, verstanden im Rauschen
der Aare das eigene Wort kaum – so stellte sie sich das Paradies vor, ein harmonisches,
eben himmlisches Rauschen, in welches das Gerede der Menschen versinken würde. Pamela
lachte. Hier hatten sich seit jeher Berns Spione und Berns Liebende getroffen, man
konnte sie wegen des Rauschens der Aare nicht belauschen. An einem Seil konnte man
sich festhalten und über die Aare gelangen, ins Matte-Quartier.
    Mit Lucius’
Augen zu sehen machte die Welt bunt. Die Matte war früher, sehr viel früher, vor
der französischen Revolution, zur Zeit der vorrevolutionären, sittenstrengen Patrizierherrschaft
mit ihrer Macht zu Galgen, Rad und Scheiterhaufen ein Quartier von Badstuben mit
Quacksalbern, Henkern und Söldnern gewesen, europaweit bekannt für die losen Sitten
seiner Bordelle, ein Quartier von Menschen, die außerhalb des geordneten Sozialwesens
der Stadt lebten und doch dazu gehörten, der Armen. Dazu und seither war es ein
Quartier jener, die in den Mühlen, den Sägewerken arbeiteten. Vor 40 Jahren kamen
die Alternativler, Astropsychologen, Heiler, Hopi-, Aborigines-, Dogon-Begeisterte,
Kunstgewerbler mit Maultrommeln, Steinen und Federn und so, Objektkünstler – es
war billig, hier zu wohnen. Dann ging ein Haus nach dem anderen in den Besitz von
PC-Firmen und Schicki-Micki-Werbern, wurde topsaniert. Das zeigte sich auch am Verschwinden
der Straßenköter. Überhaupt, Pamela empfand Bern als hundefeindlich. Auch Kinder
sah man kaum in den Straßen. Es war zu teuer geworden für Familien mit Kindern.
     
    *
     
    Wie kam eine tote Maus hier in den
Zwischenraum dieses Geländers? Wäre doch Merlin hier.
    Nein, sie
wollte nicht an schlechte Vorzeichen glauben, doch die Maus musste weg. Wie Pamela
sie mit einem Toilettenpapier mit spitzen Fingern packte, sie würde sie einfach
zum Fenster hinaus in den Hang werfen, ohne Papier, entpuppte sie sich als loses
Gespinst von Spinnweben. Noch beim Zupacken hatte sie gemeint, rosa Pfötchen, ein
Schwänzchen, zwei Öhrlein und die spitze Schnauze zu sehen. Sie trug das Ganze nach
unten, warf es von der Terrasse in den Hang. War nun das Omen weg? Es war so greifbar
da gewesen. Hätte sie dieses Gespinst doch verbrannt.
     
    *
     
    Es ging nicht nur um leckeres Essen,
es ging darum auszugehen. Immerhin war Lucius zu Besuch hier, und Francis grübelte
wieder zu viel. Sie wollten doch gemeinsam irgendwohin zum Essen gehen, unkompliziert
und nicht zu lang, seine Schularbeiten würde er noch

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