Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
ausgebildet, doch wir kennen
nicht einmal ihre Nationalität. Dass etwas geplant ist, steht fest. Die Frage jetzt
ist: Wo? Es weist einiges auf den Raum Bern hin. Es gibt verschiedene mögliche Ziele,
das Spiel Schweiz – USA käme bei unserem Zeithorizont als Erstes in Frage. Bern
ist bei den Amerikanern als Reiseziel sehr beliebt. Es wird einiges an Prominenz
aus den Vereinigten Staaten erwartet, zufällig, und das ist streng geheim, auch
die Außenministerin. Doch was heißt heute noch geheim. In der arabischen Welt fände
ein Anschlag eben zum Beispiel auf dieses Spiel ein großes Echo, wäre ein Riesenerfolg,
dort wird heute die Schweiz wieder als Satellit der USA beschimpft. Genauso gut
könnte aber auch eines der Kernkraftwerke das Ziel sein. Dazu genügte aber ein Kleinflugzeug,
keine Bombe mit Lebendviren, und unseren Informationen zufolge sind Lebendviren
aus einem Biowaffenarsenal eines der noch existierenden sowjetischen Satellitenstaaten
im Spiel. Es könnte auch beim Stadtfest geschehen oder am Gurtenfestival. Wir versuchen,
es einzugrenzen. Genau besehen aber tappen wir im Dunkeln.«
Pamela hörte
aufmerksam zu. Sie sah das Stadion vor sich, dieses neuzeitliche Kolosseum. Sie
hatte also nicht von ungefähr ein mulmiges Gefühl gehabt beim Anblick des Kalenderbildes.
Das Kolosseum war und blieb ein gruseliger Bau, strotzte vor Blut, Gewalt und Massenwahn
der niedrigsten Art. Es war eben doch so, wo die Massen schreien, da liegt das Potenzial
eines großen Unglücks.
Tizian zog
sie gleich in seine Überlegungen hinein, das war suspekt. »Unsere Spezialisten sichten
mit einem besonderen Raster die noch vorhandenen Aufzeichnungen, die man seit Einführung
der Fanüberwachung gemacht hat. Das sind faszinierende Programme, die aus der Menge
jene, die sich atypisch bewegen, herausfiltern. So kann man auch die Bedingungen
herausfiltern, die zu Gedränge bis zu Schlägereien oder Chaos und Panik führen.
Das sollte dich als Psychologin eigentlich noch immer interessieren.«
Ja, sie
erinnerte sich an den fächerübergreifenden Vorlesungszyklus zu Masse und Gesellschaft.
Diesen hatte sie vor Jahren gemeinsam mit Tizian besucht. Möglicherweise war bei
beiden etwas davon hängen geblieben. Doch war denn die Halbwertzeit des damaligen
Wissens nicht drastisch gesunken?
Was hatte
dies alles mit ihr zu tun?
Tizian sah
sie abschätzend an. »Vor einer Woche war eine schlimme Schlägerei mit gleichzeitiger
Panik im Stadion. Es gibt ein Videoband, da sind deutlich zwei Männer zu sehen,
die bei der Entstehung der Schlägerei beteiligt waren, man könnte sagen, sie haben
sie angezettelt. Bei der nächsten Kamera waren sie weg, sie blieben einfach unauffindbar.
Beim Durchsehen der Aufnahmebänder habe ich dich plötzlich erkannt, ohne zu blinzeln.
Dann suchte ich natürlich und sah dich wieder. Ich fand dich auch später beim Verlassen
des Stadions.« Tizian machte eine Pause, Pamela sagte nichts. Tizian sah sie intensiv
an. »Du hast nach dem jungen Mann gesucht, mit dem du auch gekommen bist. Er trug
eine YB-Mütze. Ihr hattet auch die sehr guten Plätze oben auf der Tribüne. Er war
in der Pause nicht mehr bei dir. Er war aber ausgerechnet an der Stelle, an der
die Schlägerei begann. Und auch er war plötzlich verschwunden. Weißt du, was los
war?« Pamela folgte aufmerksam, sie wollte selbst gern wissen, wie es jetzt weiterging.
»Wir haben ihn dann ein Stockwerk weiter unten wieder auf einem Band gefunden, kurz,
ganz allein in einem leeren Gang. Er hat sich nicht umgesehen, ist einfach nach
draußen gelaufen. Ich frage mich, wie er aus der Menge dorthin gelangen konnte,
vor allem aber warum. Von den beiden anderen war auch dort keine Spur.« Pamela versuchte
zu begreifen, was Tizian sagte.
»Wir haben
gleich den Handyempfang gestoppt. Doch natürlich haben wir alle Anrufversuche überprüft.
Du hast mit deinem registrierten Handy eine bestimmte Nummer, die nicht registriert
ist, angerufen, mehrmals. Ich nehme an, es war dieser junge Mann, oder war es Robert?
Du wurdest auch von dieser Nummer später zweimal vergeblich kontaktiert. Wer ist
er?«
Nun, sie
hatte nichts zu verstecken. Pamela hatte schon erklärt, sie wohne nicht allein im
Haus. War es möglich, dass Tizian dies nicht längst wusste?
Was er von
ihr wollte, und das konnte sie ihm geben, war Francis’ Name: Francis Berry.
*
Ohne zu wissen weshalb, ging Pamela
in Richtung Garage zum Abstellraum. Sie zögerte vor der Tür, lauschte nach
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