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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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Kurven, ich wette, die macht Bodybuilding. Viel
zu sexy.
    Heute wusste
ich nicht, war sie im Haus oder nicht. Also habe ich mich weiter unten in der Gasse
Richtung Nydeggbrücke hinter einem Laubenpfeiler auf den Bordstein gesetzt, gleich
neben einer Kellertreppe. Der Platz war ideal, da die Gasse einen weichen Bogen
zieht, topografisch bedingt. Von meinem Standort aus sah ich ihren oberen wie den
unteren Abschnitt. Käme jemand, der mir nicht gefiele, könnte ich sofort zwei, drei
Stufen nach unten rutschen, mich in den Kellerabgang ducken, wäre von oben von der
Laube aus nicht zu sehen.
    Nun, ich
bin eben doch schon kulturgeprägt. Ich schaffe es nicht, länger als zehn Minuten
so vergammelt herumzuhängen. Ich habe saubere Hände und ich habe mein Skizzenheft
dabei.
    Ich kann
mich überall auf den Boden setzen und zeichnen.
    Gestern
habe ich mich oberhalb des Bootshauses gesetzt, ich bin glücklich, die atmenden
Linien der Landschaft sind hier auf meinem Blatt. Ein See liegt wie ein lachendes
Auge darin, überhaupt habe ich hier das Gefühl, die Linien lachen weich, melodisch.
Fast vergaß ich, dass ich diesmal nicht das Bootshaus, sondern sie beobachtete.
Musste sie hierher fahren mit ihrem Hund, musste sie ausgerechnet am Ufer irgendwie
unsinnig hin und her gehen? Der arme Hund hatte zu warten und zu kommen und etwas
zu suchen, das sie vor seinen Augen in ein Gebüsch gelegt hatte, er hatte es zu
bringen und hinzulegen. Bedauernswert war er deshalb, weil sie ihn kommandierte.
Ehrlicherweise muss ich sagen, denn ich sah es genau, sie kommandierte nicht, sie
zeigte ihm etwas und er tat es, gern. Er bewegte sich erfreut, sein elender Pudel-Pinselschwanz
wippte und wedelte vor Begeisterung, er spielte. Ihr geschah es recht. Man sah es,
sie mochte zwar den Hund, sie schickte ihm gute Energie, doch sie selbst fand es
öde, so hin und her zu laufen. Möglicherweise machte sie es sogar dem Hund zuliebe.
Ich hasste sie, sie war nur wegen Francis hier, der auf dem Wasser war. Sie hatte
ihn doch schon für sich allein, wenn sie in diesem Haus waren. Also habe ich nur
den Hund gezeichnet, wie er saß und sich kaum zurückhalten konnte, angespannt bis
in den letzten Muskel, bis in die Schwanzspitze, um endlich loszulegen, und wie
er tänzelnd neben ihr herging, und wie er pfeilgenau gestreckt ins Gebüsch raste
und stolz mit erhobenem Kopf und gebogenem Nacken diesen Gegenstand zu ihr trug.
Oder wie er, wenn er frei war, sich auf die Gegend einließ, den Boden, das Gras,
das Gebüsch, den Himmel. Sein Glück.
    Jetzt in
der Gasse machte ich den verschachtelten Gebäudekomplex gegenüber zu meinem Sujet
und skizzierte locker. So etwas nennt sich Tatbeweis, ich arbeite für die Schule.
Jeder Pflasterstein war ehrwürdig, in jedem Haus lebten Menschen. Man spürt auch
die, die schon lange tot sind, die meisten negativ gestimmt, traurig oder verzweifelt
oder böse, rachsüchtig, neidisch. Es wehte mich kalt an aus diesem Kellerloch. Ich
war nicht hier, um über sie nachzudenken. Ich brauchte nur zu warten. Doch jetzt,
da ich so saß, hatte die Gasse etwas Düsteres bekommen. Ich zog meinen Parka eng
um mich, die ganze Gasse lag im Schatten, weit oben über den Häusern war ein stahlblauer
Himmel.
    Ich saß
da und wusste, in der Gasse geschieht etwas. Die Künstlerin in ihrem Atelier sah
mich nicht direkt, und auch Passanten beachteten mich nicht, ich saß zu tief.
    Nach etwa
einer Viertelstunde kam ein Mann. Er fiel mir von weitem auf, ich verdrückte mich
die Kellertreppe hinunter. Er ging auf der falschen Seite der Gasse, er ging zu
langsam, hatte ein Handy in der Hand, das er jetzt einsteckte, und er hatte genau
den Hauseingang zum Henneli im Auge. Ein auffallend unauffälliger Mann: Seine grauen
Jeans hatten vorn eine Bügelfalte. Er trug passende rahmengenähte, graue Laufschuhe,
dunkelgraue Socken, also alles andere als ein normales Freizeitoutfit, das war italienischer
Geschmack. Ich wette, der trägt alle Tage einen maßgeschneiderten Anzug mit Krawatte.
Das T-Shirt war grau, ebenso die Funktionsweste. Doch das war kein Tourist. Die
dunklen Haare waren gut geschnitten, männlich, das Gesicht markant, fast schön,
wirklich südländisch. Er war zu wachsam, sicherte die Straße, die Fensterfassaden,
klingelte, wartete, klingelte ein zweites Mal, immer wieder die ganze Gasse sichernd.
Dass er mich nicht sah, verdankte ich dem Kellerloch und dem Vorteil, dass ich zuerst
da war, also einen Vorsprung im Sichern hatte. Und dann

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