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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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hätte mir am liebsten das Gesicht zerkratzt
vor Entsetzen, gleich würde ich schreien. Ich verkroch mich unter meinem Schreibpult
in der hintersten Ecke, Knie angezogen, Kopf auf der Brust und Arme um die Schultern,
Embryostellung. Und jetzt zitterte ich, zunächst bloß der Unterkiefer, dann schüttelte
es den ganzen Körper. Und dann wurde ich kalt und regte mich nicht mehr. Es war
der Schock.
    So etwa
muss sich Pandora gefühlt haben, die Büchse ist offen.
    Ich kann
nicht mehr zurück.
    Es geht
um Francis – und um seine Mutter. Francis, mit dem ich nicht mehr reden darf. Niemand
wird mir glauben. An wen oder an was glaube denn ich noch?
    Ich habe
richtig gehört.
    Wilma und
Vater waren nicht einer Meinung. Es war schon interessant zu horchen, denn Wilma
ist zwar indirekt herrschsüchtig und gierig, doch wenn andere dabei sind, ist sie
die fröhliche, perfekte Ehefrau, deren Horizont eben nicht weiter reicht als die
Dachtraufe, und meine Mutter zu sein gehört eben auch zu ihrer Rolle.
    Wenn wenigstens
er oder sie Emotionen gezeigt hätten, menschliche Regungen. Die haben sie doch,
wenn es ums Kartenspiel geht. Sie waren so erschreckend kalt.
    Wilma berichtete
Vater, was ich ihr über Francis erzählt hatte. Es war nicht tief schürfend. Vater
war ungehalten:
    »So kommen
wir doch nicht weiter. Was wissen wir jetzt, was wir nicht vorher schon wussten.
Hast du die Kleine im Griff?«
    »Josy ist
nicht leicht zu führen, man muss sie zu nehmen wissen. Sie wird das Provisorium
sowieso nicht überstehen. In diesem Alpeninstitut wird es ihr gut gehen. Jetzt macht
sie sich nützlich, und es geht ihr gut dabei. Sie hat doch in sehr kurzer Zeit einiges
erfahren: Francis Berry trainiert eifrig Kanu. Auch wird er in einem Jahr sein Abitur
machen. Sein Onkel hat ihn zum Studium in Oxford angemeldet.«
    »Das findest
du gut? Das ist unmöglich. Dort wird man nicht einfach Lehrer. Die Ausbildung dort
ist elitär. Er wird Freunde gewinnen, die später mächtig sein werden, oder er wird
in ihrem Dienst ein windiger Journalist oder Weltverbesserer. Ich werde wütend,
wenn ich nur daran denke, dass jetzt ein grüner Junge möglicherweise die Pläne kennt.
Irgendeinmal geht ihm auf, was er vor sich hat. Wenn ich denke, dass dieser Adrian
nicht nur die Pläne nicht ablieferte, sondern sie insgeheim in seinen PC kopierte,
wie konnte er unsere Freundschaft so verraten!«
    Dann Wilmas
begütigendes Schnurren: »Du bist ihm ja auf die Schliche gekommen. Du konntest es
nicht vorhersehen, auch ich habe mich in ihm getäuscht. Doch du hast es erledigt,
weg ist er. Ist das mit Maude definitiv?« Ich fasste die Ungeheuerlichkeit im Moment,
da sie es sagte. Francis’ Vater war tot. Ich fühlte mich selbst tot, hörte einfach
weiter. Francis’ Mutter war nicht Gesellschaftslady wie Wilma, sie arbeitete im
Architekturbüro von Francis’ Vater. Sie muss von Anfang an alles gewusst haben.
Wilmas Stimme klang gehässig und falsch. »Sie war Engländerin. Nichts gegen Engländerinnen,
abgesehen von ihrem verqueren Humor und der nasalen Stimmlage. Diese kühlen Frauen
spielen ganz eigenartige Spielchen. Dekadent. Ein Narr, wer ihnen vertraut!«
    Und wieder
Vaters Stimme: »Iris gab ihr Drogen, bei denen du die Wahrheit sagst. Ergebnislos.
Wegen allem, was vorausgegangen war, nicht nur bei den Befragungen, vor allem wegen
Adrians Tod wurde schließlich alles gelöscht. Das wird als irreparable Schädigung
infolge Schädeltraumas in ihrer Akte stehen. Die wird sowieso irgendwann geschlossen
werden. Iris meint, sie halte sich noch ein paar Wochen. Es sei ein Balanceakt.
Bei irreparablen Gehirnschädigungen trete irgendeinmal die Versicherung in Aktion.
Dem werde sie zuvorkommen. Bei Schädeltraumata seien unerwartete Hirnblutungen nicht
unüblich.«
    Dann ging
es um Francis. Ich habe kein Wort davon vergessen, trotz meiner Starre. Seine Verwandten
in England, die anscheinend keinen Verdacht schöpften. Dass ich ihm im Nacken sitze.
Er sei auf Sport fixiert, Kanufahren und Fußball. Das erkläre, weshalb er mit dieser
Psychologentante bei dem besagten Spiel gewesen sei. Derartiges solle wohl der Verarbeitung
des Tods seines Vaters dienen. Bei seinen Besuchen in der Klinik sei er verschlossen,
sie beschränkten sich auf ein paar Minuten. Die Psychologin habe Maude jetzt schon
zwei Mal besucht.
    Jetzt war
wieder Vaters rationale Stimme zu hören: »Das ist der andere Punkt. Diese Frau,
bei der er untergebracht ist, war im selben Internat wie seine

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