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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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weiß ich nicht genau, wie
er es machte. Ein Schlüssel war das jedenfalls nicht, was er aus der einen Westentasche
hervorholte, eher etwas Viereckiges, Langes. Er schien es an das Schloss zu halten,
nur zu halten. Schon öffnete er die Tür, sah noch einmal aufmerksam die Gasse hoch
und hinunter, jetzt war er drinnen und die Tür wieder zu. Ein Einbrecher, der nicht
wie ein Einbrecher aussah. Es ging mich nichts an, sollte er ihr doch alle Sachen
stehlen. Doch wenn er nun hinter Francis her war, einer von denen, von denen mein
Vater gesprochen hat? Ich versuchte, mich nicht aufzuregen. Ich hatte einen Eindruck
von ihm erhalten, er sah nicht verbrecherisch aus, bloß wachsam und sehr energievoll.
Wobei ein Verbrecher, ein Dieb oder ein Mörder vielleicht auch nicht verbrecherisch
ausstrahlt, wenn er ja überzeugt davon ist, das Richtige zu tun. Ein Verbrecher
kann ein guter Mensch sein, wenn er sich einfach in seinem eigenen Rechtssystem
bewegt. Vielleicht hat er eine Familie, die er ernähren muss oder er ist einer Mafia
verpflichtet, die seine Familie ist und deren Regeln er befolgt. So einer kann durchaus
gut sein. Gut sein beim Morden? Sind Fleischesser denn böse? Schweinefresser? Ich
kann mir nicht helfen, auch dass er Schweinefleisch isst, habe ich diesem Mann auf
meine Art angesehen.
    Interessant
wurde es, als ich bemerkte, dass noch jemand dieses Haus beobachtete. Ich hatte
ihn vorher nicht gesehen, mir fehlt die Spitzelausbildung. Ein alter Mann kam aus
dem Haus schräg gegenüber. Er ging zur Tür und stellte fest, dass sie zu öffnen
war. Er zog die Tür wieder zu, holte einen Schlüssel aus der Tasche und steckte
ihn ins Schloss. Dann schien er oben in der Gasse jemanden zu bemerken, er steckte
den Schlüssel wieder in die Tasche. Rasch kam er in meine Richtung, er ging etwas
steif. Schon war er an mir vorbei und verschwand unten um die Biegung der Gasse.
Die Psychologentussi kam zurück.
    Dieser alte
Mann muss mich vom Hauseingang aus, hinter dem er offensichtlich gewartet hatte,
während all dieser Zeit im Auge gehabt haben.
     
    Mein Notebook ist meine Zeitkrücke.
Für Hausaufgaben reicht es kaum mehr. Wilma findet, ich sei eben im Wachstum. Sie
unterschreibt ohne jedes Theater meine Entschuldigungen für fehlende Schulstunden.
     
    *
     
    Natürlich erzähle ich Wilma meine
Beobachtungen nicht mehr. Deswegen trage ich mein Notebook im Rucksack immer mit
mir. Das ist vielleicht umständlich, aber ich kann nicht mehr wissen, was für Francis
das Beste ist. Sicher ist sicher. Mein Leben ist völlig aus den Fugen geraten. Da
ist eine Welt, die nicht so ist, wie sie sein sollte, wie ich meinte, sie sei. Wilma,
das ist ja nur vordergründig. Wenn sie so falsch ist, wie ich meine, dann wäre mein
Vater …… das kann ich nicht aufschreiben.
    Es ist nicht
auszuschließen, dass der Unfall von Francis’ Eltern kein einfacher Unfall war, dass
jemand nachgeholfen hat. Wilma geht davon aus, das ist das eine. Aber veranlasst
hätte ihn mein Vater. Aus welchen Gründen auch immer. Jetzt passt es ihm nicht,
dass Francis’ Mutter noch lebt. Dass die Märchen ein Bild wären für die unaussprechlichen
Schrecken der Welt und der Menschen, das können nur schöngeistige Seelen so sehen,
jene aus dem Elfenbeinturm, Leute wie Frau Gödel, meine Deutschlehrerin. So real
wie die Tanzschuhe aus glühendem Eisen und die mit Nägeln besetzten Fässer in ihrer
Zeit waren, so real steigt ein Mörder aus meinem Kinderzimmer. Aber das ist noch
nicht das Schlimmste.
    Ich habe
den alten Mann, der die Junkerngasse beobachtet hat, kennengelernt. Richtig gesagt,
es war umgekehrt.
    Ich saß
im Laubenbogen gegenüber der Universitätsbibliothek auf der Stufe und zeichnete
den Eingang. Ich wartete, dass sie herauskommt. Auch andere sitzen überall herum,
man kann ja nicht immer stehen. Zeichnen ist mindestens so gut wie das Spielen mit
dem PC. Ich verliere mich ins Zeichnen, ich lasse mich auf jeden Quaderstein ein,
fühle die Spannung des Bogens, die Wucht der Wand, es zieht mich in die Laube, zu
den Eingangsstufen, ich verschmelze mit dem Gebäude, es ist lebendig, pulsiert.
Das ist Glück. Genau so entsteht es ohne mein eigentliches Dazutun in meinem Skizzenbuch.
Unvermutet saß jemand neben mir, ganz nah, er packte mich am Arm, sagte: »Lauf jetzt
nicht weg.« Natürlich bin ich erschrocken. Es war dieser Alte.
    »Ich beobachte
dich seit Tagen. Du verfolgst meine Tochter, du gehst offensichtlich dem Jungen
nach, mit dem sie

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