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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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Einsatz
der Guglieros im Stadion richten? Jetzt in diesem Moment?
    Der Laden
sollte aufgemischt werden.
    Die Frage,
die sich ihm jetzt stellte, war die: Enthielten diese Überwachungsvideos weitere
interessante Details, die Füssli entgangen waren oder die er möglicherweise nicht
gesehen hatte? Legte er selber seinen Aufgabenbereich genügend weit aus, war es
sogar seine Pflicht, sich die Videos selbst anzusehen, ganz offiziell. Nicht nur,
dass auch für seinen Bereich interessante Erkenntnisse drin liegen konnten, möglicherweise
konnte auch seine Sichtweise und sein Wissen etwas zur Lagebeurteilung beitragen.
     
    *
     
    Heute Morgen hatte er den ersten
Fighter in Bewegung gesetzt.
    Reza kam
aus dem Norden des Irak, seine Papiere wiesen ihn als christlichen Flüchtling aus
mit dem Diplom eines Pflegers der medizinischen Abteilung eines Regionalspitals.
Mit diesem Papier konnte er sogleich eine Stelle in einem Pflegeheim antreten. »Du
bist sauber, pünktlich, pflichtbewusst und immer lächelnd. Am Sonntag gehst du zur
Messe in der Marienkirche, gehst zur Kommunion, du lächelst auch hier. Du nennst
alle beim Namen.« Kein Mensch kam auf die Idee, dass er wartete. Er beobachtete,
er lernte, sich im Land zu bewegen, er lernte die Sprache. Er ging nicht zu Treffen
von Exilirakern, wie wollte er auch als Christ. »In der Organisation der militanten
Muslime wissen sie von dir und decken dich, denn in der Spitze sind die Terrororganisationen
vernetzt.« Reza war ein sanfter Name. Er hasste und war ein glühender Antiwestler
seit dem Auslöschen seiner Familie durch einen Raketeneinsatz der NATO. Mit der
Unterstützung von RSR konnte er in Bern Medizin studieren. Jetzt hatte er den ersten
Abschluss geschafft, praktizierte auf der Geriatrie des Inselspitals. Er war bereit,
sein Leben bedingungslos für die Sache einzusetzen, wobei er ganz sicher davon ausging,
nicht gleich zu einem Selbstmordattentat aufgeboten zu werden, dazu wäre seine Ausbildung
zum Arzt zu wertvoll gewesen.
     
    Vor ein paar Tagen hatte er
die Voranzeige erhalten, im Briefkasten eine dieser Zeitungsannoncen mit den verschlüsselten
Meldungen, die er ihm seit seiner Ausbildung zum freiwilligen Einsatz in Krisengebieten
hin und wieder zukommen ließ. Im ersten Camp hatte Reza sich für RSR anwerben lassen,
Route Sans Retour, einen der Kampftrupps des internationalen Terrornetzes. Seither
wartete er auf den Morgen, da er aufgefordert würde zu handeln. Heute hatte er beim
vorgeschriebenen Überprüfen seiner Taschen die genaue Anweisung gefunden. Er würde
sich nicht erklären können, bei welcher Gelegenheit ihm heute jemand diese Karte
in seine Jackentasche geschoben hatte, denn in seiner schäbigen Mansarde war sie
noch nicht da gewesen. Der Erkennungscode stimmte, die Zahlen der Initialen der
ersten sechs Worte ergaben seinen Geburtstag. Gezeichnet war die Anweisung mit dem
Zeichen des Panthers. Damit wusste Reza, der Countdown hatte begonnen.
    Über die
Identität des Panthers und jene seiner Mitkämpfer hatte er sich keine Gedanken zu
machen, denn was er nicht wusste, konnte auch mit einer Wahrheitsdroge nicht aus
ihm herausgeholt werden. Er würde erst zum Punkt Null, wenn das Ziel getroffen war,
mit Sicherheit wissen, wozu er beigetragen hatte. Dann käme sein nächster Einsatz.
Sein Wunsch war, Chirurg zu werden oder Tropenmediziner. Er wollte in eines der
umkämpften Länder zurückkehren.
    Jetzt im
Moment wäre Reza einmal mehr von der Cleverness von RSR begeistert, er war so gern
begeistert.
    Jetzt müsste
er sich eben auf sein Fahrrad schwingen. Der Panther hatte ihn mehrmals beobachtet,
wie er die Rampe vom Klinikum III in die Freiburgstraße hinuntersauste, um Leute
herumkurvte, die völlig gegen jede Regel die Straße als Trottoir benutzten, Studenten
und Spitalbesucher, wie er sich zwischen der vor der Ampel wartenden Autoschlange
und den parkenden Autos zur Bühlkreuzung schlängelte. Nein, heute böge er ganz sicher
nicht bei Rot rechts in die Laupenstraße Richtung Bubenberg, was in seiner Heimat
ja überhaupt kein Problem war, doch heute würde er nichts riskieren. Auch das wusste
er, kein Strafzettel und kein Unfall, keine Gefährdung der Aktion. Fast beneidete
er ihn um den Schub der Glückshormone, die jetzt seinen Kreislauf durchschwemmten.
     
    *
     
    Lucius’ beobachtende Gegenwart war
alles andere als beruhigend, er misstraute allem und jedem und sah noch mehr Gespenster
als sie. Es machte sie verrückt, wenn er ihre eigenen

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