Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
Birchermüsli,
Spaghetti? Kohlenhydrate oder Eiweiß? Ich kann entsprechend einkaufen.«
Ein trockenes
»Dazu sagt er nichts« war die ganze Antwort.
Eigentlich
reichte es ihr. Verschlossenheit, Trauer mochte das eine sein, ein anderes war Unhöflichkeit.
Wie konnte sie Unhöflichkeit von einer Depression unterscheiden? Depression ließ
sich nicht ausschließen. Doch Frechheit mochte sie überhaupt nicht. Und das sagte
sie ihm jetzt.
Er sah sie
an, mit zusammengekniffenen Augen, sehr distanziert, die Unterlippe leicht vorgeschoben.
»Ich brauche keine, die ihre Pädagogik an mir ausprobiert. Ich komme ganz gut allein
zurecht, es ist besser so für alle.« Letzteres sollte das vorherige wohl abschwächen,
also wusste er zumindest, was ungehörig war. Was hatte Emily sich eigentlich gedacht,
ihr diesen noch pubertierenden Patensohn anzuhängen? Entweder er war verstört oder
es stimmte etwas nicht. Sie wies sich zurecht, doch nicht schon am Anfang ungeduldig
werden. War sie überhaupt fähig, auf einen Jugendlichen einzugehen?
Sie begann
ruhig: »Für mich ist es nicht eine Notlösung, das weißt du. Du bist auch nicht einfach
ein psychologischer Auftrag für mich. Ich habe Werbung studiert, nicht Jugendpsychologie.
Emily ist meine Freundin, wir sind füreinander da. Die eine Freundin kann eine Aufgabe
der anderen an deren Stelle übernehmen. Emily hält mich dafür für geeignet. Ich
hatte vorher nicht daran gedacht, doch jetzt richte ich vielleicht auch mein Leben
neu aus. Also habe ich ihre Aufgabe übernommen, für dich da zu sein und für Cooper
und das Haus. Dafür bezahlt sie mich auch. Ich bin für den Haushalt verantwortlich
und bin deine Bezugsperson. Ich hoffe, wir können Freunde werden. Du und ich, wir
bilden eine Wohngemeinschaft, das heißt, die Hausarbeiten teilen wir irgendwie,
nach Möglichkeiten, im Gespräch. Du gehst zur Schule und betreibst deinen Sport.
Ich bin frei und habe genügend Zeit, Material zu sammeln zu einem Thema, das mich
interessiert. Wenn du es wissen willst und auch wenn du es nicht wissen willst,
es geht um Gärten.«
Pamela machte
eine Pause, sah ihn erwartungsvoll an. Francis verzog den Mund und schwieg weiter.
Pamela strich
sich Margarine auf die Kartoffel, speziell dünn, legte eine weitere schmale Scheibe
Greyerzer Käse auf ihren Teller, trank Most.
Francis
sah sie kurz an und zerdrückte gedankenlos seine Kartoffel im Teller. Hatte er ihr
überhaupt zugehört?
Das war
Misstrauen, er war angespannt, nervös. Mit wem hatte er denn reden können seit diesem
schrecklichen Unglück? Nach den obligaten Kondolenzbezeugungen? Ansprechpartner
des Spitals waren der Bruder seiner Mutter und seine Tante gewesen, die jetzt wieder
abgereist waren. Da gab es nichts mehr zu sagen.
»Ich freue
mich auf Bern. Ich freue mich auch auf den täglichen Spaziergang mit Cooper. Ich
bin gern draußen. Hubert sagte, weiter oben Aare aufwärts gebe es beidseits gute
Spazierwege, doch die Strecke beim Bärengraben sei unmöglich, die Bären machten
Cooper nervös. Ich freue mich darauf, Wege zu gehen, die ich noch nie gegangen bin,
eine Stadt kennenzulernen, die ich nicht gut kenne, neue Menschen kennenzulernen,
zum Beispiel dich!« Jetzt lachte sie ihn an. Das schien ihn zu erschrecken.
*
In den folgenden Tagen gewöhnten
sie sich aneinander, sie ging mit Cooper Gassi, fütterte ihn, streichelte ihn, und
Francis schien nicht mehr ganz so verkrampft zu sein. Er schien es zu schätzen,
dass jemand redete, er half und räumte die Abwaschmaschine ein, erbot sich, Brot
vom Bäcker um die Ecke mitzubringen. Maude musste sich verändert haben, hatte ihn
richtig erzogen, oder sein Vater war super gewesen. Pamela hatte sich geschworen,
nicht von sich aus damit anzufangen, vielleicht war das falsch. Sie erzählte von
ihren Eltern, liebenswerte Alt-68er. Lucius, ehemaliger erster Geiger am Zürcher
Symphonieorchester, vorzeitig in Pension wegen Gicht in den Händen. Alice, ehemalige
Französischlehrerin am Mädchengymnasium in Zürich, auch sie vorzeitig in Pension.
Sie war glücklich gewesen im Internat. Alice und Lucius waren vor zehn Jahren nach
Alaska ausgewandert, ihrem Jugendtraum folgend. Beide noch jung genug, dort eine
Selbstversorgung aufzubauen, mit Hühnern und Ziegen. Alice etablierte sich schon
bald als Werklehrerin mit einem Atelier, er konnte nicht anders, leitete jetzt ein
kleines Orchester. Seine Gicht hatte sich zurückgebildet, vielleicht lebten sie
jetzt gesünder. Pamela
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