Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
längere Zeit aus, doch Darko müsse trainiert werden, so
einfach war das. Nils meinte etwas arrogant: »Bei der Drogenfahndung kommst du vom
Schreibtisch weg. Das Nötige hat man heute mit dem Notebook sowieso überall mit
dabei. Die Drogenfahndung ist ein aufregender Bereich, es geht um Geld und Zerstörung.«
Darauf wäre Pamela nun nicht gekommen. Nils schien seine Arbeit zu lieben. Sie erkundigte
sich nach seiner Familie. Seine Antwort fiel kurz aus. »Ja, natürlich habe ich Familie,
im Appenzellischen.« Er redete schon wieder von seinem Beruf. Die Berner Polizei
war interessant, hier in Bern war doch einiges los.
Pamela schaute
aufmerksam. Sie überlegte während des Essens: Entweder ein Hund wurde stabilisiert
oder er wurde trainiert. Es ging aber nicht um dieses Detail. Hier war Nils unaufmerksam
gewesen, weil er sich auf etwas ganz anderes konzentriert hatte. Es musste gleichfalls
eine Lüge dahinter stehen, Pamela durchschaute sie nicht, eine echte Lüge, eine
wichtige Lüge. Sie hakte die Überlegungen ab: Dieser Nils hatte auf jeden Fall eine
Fassade, war überhaupt nicht ihr Typ.
Sie schaute
ihm zu, wie pingelig genau er mit dem Messer die Rösti auf die Gabel schob, wie
abgezirkelt er diese zum Mund führte, wie millimetergenau er diesen öffnete und
die Gabel darin verschwinden ließ. Urteilte sie zu schnell, zu hart? Möglicherweise
stimmte das sogar mit der Drogenfahndung, doch auch da konnte jeder alles behaupten.
Irgendeines seiner Worte hatte das Gegenteil von dem bedeutet, was er meinte. Wehmütig
dachte sie an die Begegnung mit Dubi und Drossel, Polizisten, die zu Freunden geworden
waren. Etwas musste bedenklich sein an seinem Polizisten-Dasein. Vielleicht hatte
er ja Krach mit seinem Vorgesetzten oder jemand in seiner Familie war drogensüchtig,
vielleicht Alkoholiker. Jetzt fiel ihr auf, Nils trank kein Bier, er wollte auch
keinen Wein bestellen, weder roten noch weißen. Das wäre ein kompromissloses Ablehnen
von Drogen. Also bestellte sie jetzt zu Nils Überraschung aus heiterem Himmel ein
Glas Weißwein gespritzt. Scharf meinte er: »Aber du bist doch mit dem Auto hier!«
Pamela wusste nicht, sollte sie frustriert sein oder sollte sie sich freuen, weil
sich damit ihre Vorbehalte bestätigten, er war ein Moralist. In dieser schiefen
Situation konnte ein Glas Wein nur gut tun. Sie nähme Nils Rebmann dann nicht ganz
so ernst und begänne vor allem nicht, sich zu ärgern, dass sie hier war.
Wie sie
es gehofft hatte, nach wenigen ganz kleinen Schlucken sah dies alles nur mehr halb
so wild aus. Sie hatte überreagiert: Da ging sie vertrauensselig mit einem Unbekannten
an einen einsamen Ort, dann, in einem atavistischen Reflex, fürchtete sie sich,
und aus Frust darüber machte sie einen völlig Harmlosen zur Zielscheibe von abstrusen
Projektionen, nur um vor sich selbst einigermaßen das Gesicht zu wahren.
Jetzt lachte
sie Nils an. »Noch heute Abend werde ich Emily anrufen und über Coopers erfolgreiches
Schwimmtraining berichten.«
»Wer ist
Emily?« »Ja, natürlich, das kannst du ja nicht wissen. Emily ist meine beste Freundin,
die Besitzerin von Cooper, die Patentante von Francis, die Besitzerin des Hauses,
in dem Francis und ich wohnen. Sie hat mich nach Bern geholt.« Da war eine kleine
Pause, dann meinte Nils etwas gedehnt: »Aha, Francis Berry.«
Sein Tonfall
war etwas ungewöhnlich, und halt, Pamela lächelte breit: »Natürlich bist du Polizist,
sonst wüsstest du nicht, dass Francis Berry heißt.« Sie hatte genug und abschließend
über Nils nachgedacht. Sie genoss ihre Bratwurst, die Berner Rösti, die Zwiebeln.
Sie fühlte sich wohl in dieser heimeligen Gastwirtschaft.
Zu Hause nach dem Duschen im kuscheligen
Hausanzug vor dem Fernseher wurde sie entsprechend melancholisch. Sie war allein,
Lucius war noch immer unterwegs, besuchte jetzt Freunde in Einsiedeln. Auch Francis
war noch nicht da, sie fühlte sich gestrandet.
Sie trank
ein weiteres Glas Wein. Cooper hatte so gut gehorcht, als hätten sie über längere
Zeit miteinander intensiv gearbeitet. Das hieß, er akzeptierte sie, also war es
nicht mehr nötig, weiterhin Kurse zu besuchen. War da jetzt etwas wie ein Bedauern?
Hatte sie sich denn jetzt schon fast daran gewöhnt, sich in einem Rudel von Menschen
und Hunden zu bewegen; zum Teil sehr unerzogenen Menschen und Hunden. Musste man
auch auf sie nur diesen kleinen Zwang ausüben, dass sie sich auf einen autoritären
Gruppenleiter konzentrieren musste, und schon
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