Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
geknüpft, um Bären
zu fangen. Bären fing man nicht in Alaska, wenn es gefährlich wurde, erschoss man
sie. Wollte sie einen Bären mit einem Netz fangen, befestigte sie dieses in den
Ästen eines Baums, ließe es herunterfallen, wickelte ihn ein. Sie träumte das Haus
von Alice und Lucius, die Garage lag entfernt vorn an der Straße, zum Haus hinauf
führte ein schmaler Weg durch Gehölz und durch ein Wäldchen. Es war Bärenzeit, sie
redeten laut und sangen, sie trugen die Schweizer Treichel bei sich, die große scheppernde
Eisenglocke. Sie dachte im Traum und wusste, dass sie es träumte: Beim Dröhnen einer
Treichel macht sich jeder Bär rechtzeitig davon.
*
Lucius war zurück, belebt von Sonne,
Wein und Ambiente. Hatte er gemeint, ohne ihn werde sich einfach alles wie ein Morgennebelchen
verflüchtigen? Doch jetzt, da er da war, war er unvermittelt schweigsam. Er drängte
sich Pamela geradezu auf, mit Cooper nach draußen mitzugehen. Nein, nicht zu ihrer
Entlastung, mit ihr.
Erst als
sie draußen waren, taute er auf. Jetzt konnten sie reden. Doch dann hatte sie ihr
Handy mitgenommen, und schon verstummte er wieder.
Er beschwor
sie, das Handy zu Hause zu lassen, wegen der Strahlenbelastung. Pamela mochte zum
x-ten Mal wiederholen, ein ausgeschaltetes Handy strahlte nicht, er ließ sich von
seinem Lamento nicht abbringen. Hätte ihn Pamela nicht so gern gemocht, hätte es
nervenaufreibend sein können. So machte sie sich bloß etwas Sorgen, er wurde zusehends
alt und eigenbrötlerisch.
Als dann
im Gartenrestaurant zunächst kein Tisch frei war, weigerte er sich, drinnen Platz
zu nehmen, wollte gleich wieder gehen. Sie hatten Glück, fanden doch draußen Platz.
Endlich, Lucius war wie befreit.
Nach dem, was Pamela erzählt hatte, war es glatt unmöglich, dass sie nicht überwacht
wurde. Nicht von Josy, wobei das nur ein Strang eines ganzen Netzes war, den sie
da erwischt hatte. Er war erleichtert, zurück zu sein, doch die Besuche bei seinen
Freunden waren versprochen gewesen. Zumindest war er jetzt wieder da.
Pamela saß
gern da, hörte ihm zu, schaute ihn an. Sie wollte jeden Augenblick mit ihm festhalten.
Lucius begann
etwas umständlich damit, dass Alice und er sich von dem Moment an Gedanken gemacht
hätten, als klar war, dass es sich bei Francis um den Jungen des Architekten des
neuen Stadions handelte, dessen Vater tödlich verunfallt war.
Jetzt holte
Lucius aus: »Man sollte nichts zu tun haben mit den neuen Stadien, nicht in ihre
Nähe geraten. Es sind die heutigen Paläste von Knossos, du erinnerst dich doch an
die Sagen um den Palast von Knossos auf Kreta, jährlich bezahlte Athen dem König
Minos einen Tribut von 20 Jünglingen und 20 Jungfrauen, die fraß dann der Minotaurus,
sein Sohn, der den Kopf eines Stiers und den Körper eines Menschen hatte. Noch vor
30 Jahren gehörte dies in die Welt der Sagen, heute, mit all diesen gentechnischen
Möglichkeiten, kannst du nicht einmal mehr den Minotaurus ausschließen.« Pamela
war verblüfft, wie kam er auf so etwas? Doch Lucius winkte ab: »Darum geht es im
engeren Sinn nicht. Die Stadien sind die heutigen Paläste, die jährlich mindestens
so viele junge Menschen fressen. Schau es dir einmal an, dann wird es dir unheimlich.
Auf jeden Fall war Alice sofort von meiner Reise überzeugt.« Lucius tätschelte Pamelas
Hand. Doch jetzt ereiferte er sich. »Dass ausgerechnet dieser Tizian schon wieder
in deiner Nähe auftaucht, ist auch nicht gerade beruhigend. Alice und ich, wir misstrauten
ihm schon zu euren Studienzeiten – und schau, was aus ihm geworden ist.« Pamela
wehrte ab: »Ich habe mich mit ihm unterhalten. Seine Arbeit ist richtig, und wenn
du es genau wüsstest, wärest du nicht so negativ.« Lucius schüttelte den Kopf, sagte
fast beschwörend. »Tizian hast du doch vor einem Jahr nicht gerade von seiner rühmlichen
Seite kennengelernt, oder habe ich da etwas falsch verstanden? War er nicht ein
Gegner von Robert, und mit Robert bist du doch seither zusammen?« Jetzt ereiferte
er sich: »Und dann steht Tizian unverhofft vor deiner Wohnung. Möglicherweise war
er gerade dabei einzubrechen, und du hast ihn überrascht. Möglicherweise wollte
er auch nur eine Wanze anbringen.« »Dad, du gehst zu weit, du magst Tizian einfach
nicht. Überhaupt sind Wanzen heute überflüssig, dazu tragen wir ja alle unsere Handys
mit uns.« Lucius schaute unglücklich. »Es ist eine himmeltraurige Welt, heute gibt
es sogar lebendige Wanzen,
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