Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
denen man eine technische Überwachungswanze eingebaut
hat, implantiert nennt man das wohl, vielleicht leimen sie die auch einfach nur
an. Wenn heute in deiner Wohnung eine Wanze krabbelt, kann das sehr gut eine wirkliche
Abhörwanze sein. Wirf sie einfach aus dem Fenster.« Pamela dachte, Verfolgungswahn.
Sie spöttelte etwas: »Ich werfe sie nicht aus dem Fenster, Cooper frisst sie. Er
ist recht vorsichtig, erschlägt sie vorher, dann frisst er sie. Wirkt eine totgeschlagene
Abhörwanze auch aus den Innereien eines Hunds oder löst sie sich spätestens dort
auf?«
Fast war
Lucius beleidigt. »Du lenkst ab. Du musst doch zugeben, dass Tizian heute irgendwie
in der obersten Etage der Abteilung Innere Sicherheit agiert. Wie kannst du ihm
nur vertrauen? Nimm es bitte ernst.« Pamela versuchte, ihn abzulenken, doch Lucius
verbiss sich ins Thema Mobiltelefone und kam zum Schluss, dass Tizian wohl doch
eher beabsichtigt hatte, ihre Wohnung zu durchsuchen. Sie wischte die Verdächtigungen
weg. Tizian hatte vor der Tür gestanden, wollte wissen, ob Robert noch immer ihr
Liebhaber war, warum sie ein Fußballspiel besuchte und wer der Junge war, der in
die Schlägerei geriet und einen geheimen Durchgang benutzte.
Lucius bemühte
wieder einmal einen Vergleich mit seinen neuen Naturerlebnissen. Diesmal war es
der Fuchs, der sich dem räuberischen Verhalten seiner Beute anpasste. Jeder Jäger
übernahm die Eigenschaften seiner Beute, sonst erwischte er sie nie. Das nannte
sich Mimikry, auch beim Jäger.
Nein, Pamela
rief sich und ihn zur Vernunft. Sie wollte positiv denken. »Tizian könnte auch heimlich
gekommen sein, um mich nicht zu gefährden. Er wollte nicht zufällig die Aufmerksamkeit
von Terroristen auf mich und Francis lenken. Der Satz stammt doch von dir, dass
dein Gegenüber dir das entgegenbringt, was du von ihm erwartest. Wie kannst du so
schlecht von ihm denken!«
»Und wie
kannst du so vertrauensselig sein!«
Das war
der Punkt, da hätte Pamela am liebsten geweint. Um nicht zu heulen, schimpfte sie.
Da saß sie mit Lucius, ihrem Vater. Er würde bald wieder abreisen, und dann blieben
wieder nur die Kontakte per Telefon und Internet, die sich jeweils unmerklich auf
das Nötigste beschränkten. Alles, was sie in dieser kostbaren gemeinsamen Zeit zu
reden hatten, drehte sich um Polizei und den Jungen, den sie hütete. Lucius hatte
sie nicht zu ihrer Arbeit gefragt. Sie stürzte sich in ihr Buch, gerade weil die
Welt um sie herum so gefährlich wurde.
Doch jetzt
ging es um mehr als darum, etwas Wesentliches zu schaffen, ihrem inneren Kompass
zu folgen. Nicht nur, weil ihr Kompass ausgerechnet jetzt wie wild im Kreis drehte.
Es ging darum, dass Francis dabei war, Vertrauen zu fassen. Er konnte sich auf sie
verlassen, und das war womöglich der Prüfstein in ihrem Leben. Mit dem Prüfstein
wird die Echtheit des Goldes geprüft. Sie hätte es nicht mit Worten versprochen,
sondern einfach durch ihr Warten, ihr waches Dasein.
Und dann
wurde ihr Gespräch doch noch gut. Lucius pflichtete ihr bei, das Leben war eben
so, dass die wichtigen Versprechen einzulösen waren. »Das ist doch das, was Jugendliche
und Erwachsene, Menschen überhaupt, in die Gewalt treibt. Gewalt ist nichts anderes
als enttäuschte Hoffnung.« Pamela wusste, sie wird Francis nicht enttäuschen.
*
Gary hatte gesagt, komm einfach
an einem Dienstag herüber. Was genau hieß Dienstag? Pamela entschied, dass dies
etwa 18 Uhr sein musste.
Sie stolperte
eine Stufe hinunter in Garys Werkstatt, doch diese war gestoßen voll mit Menschen,
großen, eher ruhigen Menschen. Sie standen herum oder saßen an kleinen Tischen und
auf hohen Hockern an einer Theke. Am liebsten hätte sich Pamela die Augen gerieben,
was wegen der Mascara ausgeschlossen war. Ging denn hier eine Schweigeparty ab,
war das ein Lokal? Das Überraschendste war, im Raum hingen Rauchschwaden, als wäre
es ein Raucherlokal alter Art, es roch süßlich, doch nicht nach Haschisch und keiner
rauchte. Pamela schlängelte sich zwischen den Menschen durch in Richtung der Theke.
Ein paar tranken Bier aus Humpen, eine Frau mit langen roten Haaren und scharfen
Gesichtszügen in dunkelblauem Fetzen-Look hielt ein Glas mit einer weißlichen Flüssigkeit
an einem Henkel. Es erregte Pamelas Aufmerksamkeit, sie suchte nach einem Wort,
das war nicht Tee, so sah die Frau auch nicht aus, jetzt blickte sie Pamela direkt
an, doch ihr etwas ferner Blick ging durch Pamela hindurch. Da war Gary. Er
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