Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
passte sie sich an, wollte ein vorgegebenes
Ziel erreichen? Wurde ein Hund gehorsam, wenn er roch, dass der Mensch sich jemandem
unterordnete? Sie war doch kein Hund in einer Meute, der sich fügen und dadurch
dem Gemeinwohl dienen musste. Doch das war jetzt abgeschlossen. Sie nahm gleich
noch einmal einen Schluck, zur Belohnung.
*
Auch davon hatte Emily gar nichts
gesagt: Als Neu-Hundehalterin hatte Pamela vorschriftsmäßig noch eine Doppelstunde
Hundetheorie abzusitzen, das erforderte die kantonale Verordnung zum Hundehalterbrevet.
Die Stunde fand zuoberst im Kornhaus statt.
Endlich
regnete es. Sie war spät dran, zu spät, sie wollte nicht auf den Lift warten, stieg
die Treppen hoch, endlos niedrige Stufen. Völlig atemlos kam sie oben an, doch die
Eile hatte nichts genützt, die Tür zum Versammlungsraum war geschlossen, und drinnen
redete schon jemand. Also entledigte sie sich zunächst einmal ihres Regenzeugs.
Die Garderobe war total überhängt. Sie legte ihre Jacke auf einen breiten Fenstersims,
unter dem sich eine einsame Plastiktüte befand. In dem Moment kam auch Nils die
Treppe hoch, leichtfüßig, elastisch, federnd, überhaupt nicht in Eile, zu spät war
er eh. Er grüßte flüsternd, um drinnen nicht zu stören. Auch er entledigte sich
seines Regenzeugs, suchte nach einem Haken. Pamela wies auf den Sims. Völlig überraschend
zischte er: »Ist das deine Tüte? War diese Tüte schon da? Wem gehört diese Tüte?«
Pamela guckte
verblüfft, verständnislos: »Was soll mit dieser Tüte sein?«
Nils schaltete
auf normal, lächelte, als wäre nichts gewesen, »Ein Witzchen. Es könnte ja eine
Bombe drin sein.« Jetzt grinste er leicht ironisch, als wäre es seine Art, Witzchen
zu machen, ging leicht theatralisch zur Tüte, bückte sich, faltete sie äußerst langsam
und sorgfältig etwas auseinander, guckte hinein, griff hinein und zog ein Paar Tennissocken
heraus: »Der Bombenbauer hat sich davongemacht.« Er verzog das Gesicht zu einem
ironischen Lächeln, als lächelte er über seinen eigenen Witz. Sie stutzte leicht,
was stimmte nicht?
»Musst du
wirklich auch die Theoriestunde mitmachen, du hast doch jahrelange Erfahrung?«
Sein Lächeln
erlosch wieder: »Die Theorie ist obligatorisch bei einem Erziehungskurs.« Schon
öffnete er die Tür, sie gingen möglichst leise hinein, setzten sich auf die erstbesten
Plätze.
*
Was war schlimmer, die Bombenhysterie
eines Beamten, die zeigte, wie zerbrechlich die Normalität geworden war oder die
eigene Hysterie nach ihrem neuerlichen Besuch in dieser Klinik? Es waren jene, die
sich sicher wähnten, die es klammheimlich erwischte, und dann meinten sie noch,
sie wären stark.
Der Gedanke
an Mind Control verfolgte sie. Sie hätte sich gern mit Lucius darüber unterhalten,
doch Lucius war noch immer nicht zurück. Wenn es nun so wäre, dass Francis unter
Mind Control stünde? Tizian hatte doch zumindest angedeutet, dass Francis ein Terrorist
sein könnte. Doch nicht nur er, jeder, auch sie, auch Lucius, könnte fremdgesteuert,
könnte mit einer fixen Idee vom Stadion besessen sein: Jeder könnte mental an den
Punkt dirigiert werden, an dem er dann die Bombe legte. Pamela stoppte diesen Gedankengang,
genau das war es, sie geriet in Hysterie, verlor den gesunden Menschenverstand.
Sie vertraute Francis, somit war das ein blanker Unsinn. Josy hatte von Plänen geredet.
Möglicherweise hatte Francis etwas damit zu tun. Sie würde mit Francis reden müssen.
Doch Francis
war müde, nervös, wirkte wieder so verschlossen und hatte seine Schulaufgaben noch
nicht gemacht. Es war besser, einen weiteren ruhigen Abend mit ihm zu verbringen.
Lucius sollte
sowieso bald zurück sein. Zuerst wollte sie doch mit Lucius reden.
Der Raum drehte sich, als sie endlich
auf dem harten Futon lag.
Es hinge
mit der Instabilität von Raum und Zeit zusammen, der Ungenauigkeit, der Verschwommenheit.
Weil auch Zeit nur eine Krücke zur Orientierung wäre, könnten herausragende Ereignisse
sich vorher bemerkbar machen, vielleicht. Sie wusste nicht, träumte sie oder hatte
sie klare Gedanken. Sie konnte sich zuschauen, wie sie selber in einer Schreckensszene
von Gewalt und Tod im Stadion steckte. Diese warf ihren Schatten voraus, das hob
alles hervor, was mit dem Stadion zusammenhing, einen Kalender mit einem antiken
Restgebäude, einen Architekten, einen Jungen mit einem Fahrrad.
Sie träumte:
Ein Netz zöge sich ums Stadion immer enger zu. Ein Fangnetz, fest
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