Folge dem weißen Kaninchen
Persönlichkeitsstörung
, die man auch «Psychopathen» oder «Soziopathen» nennt. Soziopathen haben eine schwache Impulskontrolle, empfinden keine Schuld, sind aggressiv, genusssüchtig und lieben das Risiko und den Nervenkitzel. Dabei sind sie oft einnehmend charmant, behandeln andere Menschen aber entweder nur als Hindernisse oder als Instrumente, um ihre Pläne zu verwirklichen. Soziopathen haben nicht nur kein Mitleid mit anderen, sie wissen auch oft nicht, was in anderen vor sich geht.
Schätzungen zufolge zeigen drei Prozent der Bevölkerung diese antisozialen Neigungen. Und das sind fast nur Männer. Bei Soziopathen sind die Strukturen im
Frontallappen
besonders unterentwickelt, also in dem Teil des Hirns, in dem Forscher den Sitz unserer Empathiefähigkeit ansiedeln. Nur wenige Soziopathen werden übrigens zu Serienmördern. Was machen die anderen? Einige Psychologen antworten: «Sie werden Extremsportler oder Investmentbanker.»
Nicht die Augen sind das «Tor zur Seele», sondern die Gesichtsmuskeln. Nur wer sie richtig deutet, kann andere verstehen. Ekman, der Entdecker der universellen Gefühlsausdrücke, wollte nicht nur die Grundgefühle erforschen. Er schätzt, dass wir mit unseren Gesichtsmuskeln mehr als 10000 unterschiedliche Ausdrücke erzeugen können. Wer alle kennt, der weiß, was Menschen denken, wenn er sie nur ansieht. Mit Kollegen hat Ekman daher in jahrelanger Arbeit nicht nur alle Ausdrücke untersucht und systematisiert, sondern gelernt, sie selbst einzeln zu erzeugen. Sein Wissen macht ihn zu einem lebenden Lügendetektor, denn Lügen und Täuschungen zeigen sich oft in mimischen
Mikro-Ausdrücken
, die man ohne Training gar nicht erkennen kann.
Als junger Psychologe betreute Ekman eine Patientin, die mehrere Suizidversuche hinter sich hatte. In einem gefilmten Therapiegespräch gab sie an, glücklich und wohlauf zu sein. Alles deutete auf eine Genesung hin, bis Ekman den Film langsam laufen ließ. Die Rolle hatte 24 Einstellungen pro Sekunde. Nur auf zwei davon war das Gesicht der Patientin vor Verzweiflung verzerrt, für das ungeschulte Auge nicht erkennbar. Sie wollte ihre wahren Gefühle verbergen. Wie den meisten Menschen ist ihr das nicht ganz gelungen. Es liegt nahe, das Wissen über Signale der Täuschung für Verhöre einzusetzen. Ekman trainiert die amerikanische Polizei, den Zoll und die Geheimdienste. Die amerikanische Fernsehserie
Lie to Me
basiert auf seinem Leben. Ekman hat auch eine Software entwickelt, mit der man trainieren kann, Mikro-Ausdrücke zu erkennen.
Soziale Gefühle
Wenn sich Europäer schämen, dann schauen sie zu Boden oder wenden sich ab. Japanerinnen hingegen kichern und halten beide Hände vors Gesicht. Zudem kontrollieren Japaner ihren Gefühlsausdruck mehr als Europäer, besonders wenn Autoritäten in der Nähe sind. Auch das hat Ekman mit Kollegen herausgefunden. Diese kulturelle Variation findet sich besonders bei den sozialen Gefühlen wie Scham, Neid, Eifersucht und Schuld. Spricht das dafür, dass soziale Gefühle nicht angeboren sind, sondern erst erlernt werden müssen?
Dazu gibt es mindestens drei Vorschläge. Der erste sagt: Grundgefühle und soziale Gefühle unterscheiden sich ganz klar. Angst und Ekel sind angeboren, aber Scham und Eifersucht muss man erst lernen. Wenn dieser Ansatz stimmte, müsste man Kulturen finden, die weder Scham noch Eifersucht kennen, oder umgekehrt solche, die Gefühle kennen, die uns fremd sind. Ein vieldiskutiertes Beispiel: Männer der Gururumba in Papua-Neuguinea verspüren ein Gefühl, das sie als «wie ein Wildschwein sein» beschreiben. Sie laufen stürmisch umher und greifen andere Menschen an. Die Verteidiger sozial erlernter Gefühle halten das für einen klaren Beleg ihrer These. Allerdings ist fraglich, ob das Verhalten der Gururumba überhaupt einem bestimmten Gefühl zuzuordnen ist. Die Gururumba fühlen sich diesem Zustand zwar passiv ausgeliefert, aber das Verhalten erinnert eher an einen willentlich veranlassten Kontrollverlust. Um den zu beobachten, muss man nicht in ferne Länder reisen. Wer schon einmal auf dem Kölner Karneval oder auf dem Oktoberfest war, weiß, dass auch Westeuropäer willentlich die Sau rauslassen können.
Der zweite Vorschlag behandelt soziale Gefühle als
Mischgefühle
aus grundlegenden Gefühlen. Ekman hat beispielsweise herausgefunden, dass Ekel und Wut zusammen eine tiefe Verachtung ausmachen, die die häufigste Ursache für Gewalt und Aggressionen ist.
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