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Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Titel: Follower - Die Geschichte einer Stalkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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verrückt. Die Freiheit zum Greifen nahe und doch unerreichbar. Er fühlte Wut in sich aufsteigen. Dieses kleine, bescheuerte Mädchen. Sie hatte ihn in der Hand, und er musste auch noch Rücksicht auf sie nehmen, wenn er seinen Plan nicht gefährden wollte. Selten fühlte er eine große Wut auf andere, denn er war eher der gelassene Typ. Das musste er in seinem Job auch sein. Er kam mit Horden von Fans klar, die ihm auf die Pelle rückten, aber dieses Mädel hatte ihn einkassiert, einfach so. Seine eigene Hilflosigkeit und ihre dümmliche Fürsorge verärgerten ihn. Er war es nicht gewöhnt, anderen Menschen derart ausgeliefert zu sein.
    Er verließ das Bad und schlich durch das dunkle Zimmer zu der Tür, die in den Flur führte. Er spähte um die Ecke. Daniela lag auf einer Matratze im Flur und schlief. Sie schnarchte leise. Kiran machte einen Schritt auf sie zu, dann spannte die Kette und er kam nicht weiter. Einen halben Meter nach der Türschwelle war Schluss. Er kam nicht an sie ran. Aber selbst wenn, was konnte er schon tun? Sie zwingen, die Schlüssel zu holen? Und was tat sie, wenn er völlig ausrastete? Hatte sie eine Waffe? Er hatte nur einen Versuch, das herauszufinden, danach war es vorbei und wenn er Pech hatte und sie ein Druckmittel besaß, dem er sich beugen musste, dann fesselte sie ihn am Ende so ans Bett, dass er gar keine Chance mehr hatte.
    Er ging zurück ins Schlafzimmer und untersuchte die Schaumstoffmatten. Er tastete sie ab und versuchte, die Hand unter das weiche Material zu schieben, um an den Fenstergriff zu kommen. Wenn er sicher war, dass man die Fenster öffnen konnte, war er einen Schritt weiter. Aber er befürchtete, dass sie sie gesichert hatte. Festgeschraubt oder was auch immer.
    Die Kette klirrte ein wenig und er hielt mitten in der Bewegung inne. Bildete er sich das ein oder hatte das Schnarchen im Flur aufgehört? Ein Geräusch wie von Stoff, der aufeinander rieb … Daniela wachte auf! Kiran zog seinen Arm zurück und legte die wenigen Meter zum Bett zurück. Er sank auf die Bettkante, als das Licht im Zimmer anging. Sofort fiel er zurück in seine Rolle und tat verwirrt.
    Daniela sah zu ihm herüber. Sie stand im Türrahmen und ihr Gesicht wirkte misstrauisch. Kiran blinzelte sie an, als sei er eben erst erwacht.
    „Was machst du da?“, fragte sie.
    „Ich … ich weiß nicht“, flüsterte er. „Ich habe Kopfschmerzen.“
    „Brauchst du was?“, fragte sie. Das Misstrauen war noch nicht aus ihrem Gesicht gewichen. Kiran stemmte sich hoch und baute noch einen kleinen Stolperschritt ein, als ob ihm schwindelig sei.
    „Ich geh zur Toilette“, sagte er und ging an ihr vorbei zum Bad. Sie folgte ihm mit ihren Blicken.
    Als er zurückkam, stand sie immer noch da. Kiran ließ sich auf das Bett sinken und schloss die Augen. Er blieb ruhig liegen und wartete, bis sie endlich das Licht löschte. Er hatte ihr den erschöpften, drogenverwirrten Gefangenen überzeugend vorgespielt. Nur ewig ging das so nicht weiter. Morgen konnte er nicht mehr vorgeben, dass das Zeug noch nachwirkte. Dann musste er langsam zum nächsten Schritt übergehen und ihr suggerieren, dass er sie mochte und ihr vertraute. Alles in ihm sträubte sich bei diesem Gedanken. Er überlegte, ob er es fertig brachte, ihr Zärtlichkeiten zu schenken, sie zu küssen. Wenn sie in ihn liebte, dann war sie danach eventuell Wachs in seiner Hand. Konnte er das? Eine Spielpartnerin zu küssen war etwas anderes. Beide wussten, dass sie spielten, beide bekamen Geld für ihre geschauspielerten Gefühle. Auch wenn er manchmal spürte, dass seine jeweilige Filmpartnerin wirklich auf ihn stand und sich nicht so ganz an die Kussregeln der Schauspieler hielt, konnte er damit leben. Aber hier waren echte Gefühle im Spiel. Seine Ablehnung und ihre Liebe. Das würde eine Herausforderung werden. Er musste seine Wut ihr gegenüber kontrollieren und den Zahmen geben. Bei dem Gedanken, dass sie ihn dann umarmen und küssen würde, ballte er seine Hände zu Fäusten.
    Ruhig , dachte er. Ruhig.
    Es ging im Extremfall um sein Leben. Da musste er jetzt durch. Kiran dachte an Patricia, um runterzukommen. Ihre Hände, die seine Gesichtshaut massierten und die Kopfschmerzen vertrieben. Ihre lustige, freundliche Art. Bei ihr konnte er sich geben, wie er war. Andere Frauen und Fans hatten diese Anspruchshaltung ihm gegenüber, dass er etwas Bestimmtes sein oder darstellen sollte. Das fühlte sich anstrengend und unbefriedigend an. Sie zapften

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