FOOD CRASH
eingeschweißte Schnitzel im Kühlregal zunehmender Beliebtheit erfreut. Sie erreichen ihr Endgewicht von 22 kg innerhalb von unglaublichen 150 Tagen. Dass sie sich wegen ihres übergroßen Brustmuskels und einer Besatzdichte von drei Hähnen bzw. fünf Hennen/m² kaum bewegen können, kommt diesem Leistungserfolg entgegen. Eine Pute vertilgt fast 60 kg Mastfutter, das zu 50 % aus Getreide besteht. Dazu knapp 30 % Soja, außerdem Raps und Erbsen.
Bleiben noch die Legehennen, von denen jährlich 29,8 Millionen dafür sorgen, dass elf Milliarden Eier für den Frühstückstisch, die Sauce hollandaise und jede Menge verarbeitete Produkte zur Verfügung stehen. Sie leben in Kleingruppen in Käfigen (15,7 %), in Volieren oder – wie die Masthähnchen – in Bodenhaltung (63,5 %). Erfreulicherweise wächst die Nachfrage nach Eiern aus Freilandhaltung, so dass immerhin 15 % der Legehennen wissen, wann es Tag und wann es Nacht und ob es kalt oder warm ist. Sie kommen als Eintagsküken in den Aufzuchtbetrieb, der sie 20 Wochen (140 Tage) später als legereife Junghennen an den Eierproduzenten abgibt. In dessen Stall – durchschnittlich zusammen mit 30 000 Kolleginnen (von den 1139 Betrieben hatten in 2010 862 Betriebe 30 000 und mehr Legehennen) – verbringen sie dann 15 Monate, in denen sie 310 Mal über ein Ei zu gackern haben, ehe sie als Suppenhühner abtransportiert werden. Um ca. 19 kg Eigewicht und ein Schlachtgewicht von 1700 g produziert zu haben, brauchen sie 37 kg proteinreiches Futter, bestehend aus zwei Dritteln Getreide, Sojaschrot, Kalk, Sojaöl und speziellem Mineralfutter. [34]
Zwar werden Schafe nach wie vor im Wesentlichen auf Grünland gehalten, was aber nicht verhindert, dass es auch Lämmer gibt, die in den letzten Monaten ihres kurzen Lebens in Boxen gesperrt werden, wo man ihnen Heu und Mischfutter aus eiweißhaltigen Pflanzen wie Soja, Raps oder Erbsen sowie Getreiden, Mineralstoffen und Fett zufüttert, damit sie möglichst geschwind ein möglichst hohes Schlachtgewicht erreichen.
Jedes Gramm Futter, das Schweinen und Geflügel in den Trog geschüttet wird, wächst auf dem Acker, also dort, wo Nahrungsmittel für den Menschen hergestellt werden könnten. Zwar finden auch Futtermittel Verwendung, die Abfälle von Prozessen der Lebensmittelverarbeitung sind oder sich aus einem sonstigen Grund nicht mehr für menschliche Nahrung eignen, sie fallen aber aufs Ganze gesehen nicht wirklich ins Gewicht.
Deutschland verfügt über eine Ackerfläche von knapp zwölf Millionen Hektar. Knapp die Hälfte davon wird für den Anbau von Futtermitteln genutzt. Das ist augenscheinlich trotzdem zu wenig, um sowohl die Bevölkerung mit Brotgetreide, Kartoffeln und Gemüse zu versorgen, als auch die Tiere mit Futter. Diese Rechnung geht nur deshalb auf, weil ein erheblicher Teil dessen, was wir zu Eiern, Fleisch und Milch »veredeln«, nicht bei uns, sondern sonst wo auf diesem Planeten wächst. All das gilt auch für die anderen Staaten der Europäischen Union und vor allem für das wichtigste Eiweißfuttermittel, die Sojabohne. Damit Deutschlands Bauern und Agrarindustrielle die oben vorgestellten tierischen Produkte erzeugen können, müssen insbesondere in den USA , in Argentinien (Sojaanbaufläche 18 Mio. ha) und Brasilien (Sojaanbaufläche 24 Mio. ha) – das sind zwei Länder, die Jahr für Jahr Millionen von Hektaren an Urwald abholzen [35] und an Grasland umbrechen – Millionen Hektar für den Magen der Tiere bestellt werden, die in unseren Ställen stehen. Und von deren Produkten exportieren wir wiederum weltmeisterliche Mengen: Über drei Millionen Tonnen Fleisch [36] landen auf Märkten in Europa, und darüber hinaus nicht selten dort, wo eine ähnlich preisgünstige Produktion wie hierzulande nicht möglich ist. Was das in diesen Volkswirtschaften anrichtet, davon wird noch die Rede sein.
Was uns in diesem Kapitel aber interessiert, ist die Auswirkung auf die weltweite Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Dies ist nicht nur wichtig, um zu ermessen, welche Dimension die Umwandlung von pflanzlichen Kalorien in tierische Kalorien heute schon hat. Die Agrarindustrie wird nicht müde, die sich wandelnden Konsummuster der aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens und Lateinamerikas als Begründung dafür aufzuführen, weshalb wir unsere Produktion intensivieren müssen. Denn schließlich müssen ja all die Tiere gefüttert werden …
Um beurteilen zu können, ob das
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