FOOD CRASH
überhaupt eine Option ist, genügt es, ein paar Zahlen zu einer kleinen, überschaubaren Rechnung zusammenzuführen:
Derzeit werden weltweit 1,73 Milliarden Tonnen Getreide (Weizen und Grobgetreide wie Roggen, Hafer oder Mais) pro Jahr geerntet. [37] Für das Jahr 2011 gehen Marktbeobachter davon aus, dass 758,1 Mio. Tonnen davon in die Futtertröge wandern werden. [38] Dazu kommen 245,7 Mio. Tonnen an Ölschroten (173 Mio. Tonnen davon sind Sojaschrot), die für Futterzwecke angebaut werden. Das macht zusammen über eine Milliarde Tonnen Körner, die in den Mägen unserer Nutztiere landen.
Die Einwohner der USA vertilgen jährlich 137 kg an Fleisch und sind damit uns Europäern um einiges voraus. [39] Die Deutschen beispielsweise »begnügen« sich mit 88 kg im Jahr. [40] Das bevölkerungsreichste Land der Erde, China, hat es allerdings auch schon zu beachtlichen 54 kg pro Kopf und Jahr [41] gebracht. Diese Mengen umfassen die Hauptfleischarten Schwein, Rind und Geflügel, die Tabelle zeigt, zu welchen Anteilen. Sie führt außerdem auf, wie viel kg Futter bei der jeweiligen Tierart erforderlich sind, um 1 kg Fleisch zu erzeugen. Dabei ist bei Rindern lediglich in Ansatz gebracht, was an »Kraftfutter« zugefüttert wird – nicht also Grünfutter von der Wiese und auch nicht der Silomais vom Acker. Dazu kommt der Verbrauch an Eiern und Milch. Auch hierzu wird jeweils berechnet, welche Getreidemengen zu ihrer Erzeugung erforderlich sind.
Futterbedarf der Fleisch-, Eier- und Milcherzeugung
Getreideverbrauch weltweit 2008/09
Diese Rechnung ist außerordentlich grob und lässt sowohl kleinere Futterquellen, wie z.B. Nebenprodukte aus der Müllerei, als auch die Futteransprüche weniger wichtiger Tierarten außer Acht. Sie kann aber eine Vorstellung von der Größenordnung liefern, mit der wir es zu tun haben: Würden alle 7 Milliarden Menschen, mit denen wir derzeit auf dem Globus zusammenleben, so leben und essen wollen wie die US- Amerikaner, dann bräuchte man in etwa das Doppelte der derzeitigen Weltgetreideproduktion für nichts anderes als dafür, die dazu erforderlichen Tiere zu füttern. Aber selbst wenn sich die Bewohner der westlichen Industrienationen mit einem Konsumverhalten bescheiden würden, das etwa 20% unter dem der Deutschen liegt, alle anderen aber zu dieser Quote an Fleischkonsum aufschließen wollten, wäre das Ergebnis nicht darstellbar. Denn dann müsste immerhin noch die gesamte derzeitige Weltgetreideernte an Tiere verfüttert werden. Für das Müsli von Vegetariern, für Brot oder Spaghetti bliebe dann schlichtweg nichts mehr übrig. Und dabei ist noch nicht einmal einberechnet, dass die Weltbevölkerung weiterhin deutlich wächst und ihr Anstieg auf neun Milliarden Menschen durchaus noch in die Lebensspanne meiner Kinder fallen könnte.
Die Summe ist leicht zu ziehen: Es muss gelingen, unseren Fleischkonsum zu reduzieren und schwerpunktmäßig auf Fleisch umzulenken, das auf Grünland erzeugt wurde, also auf Flächen, auf denen keine Nahrungskonkurrenz zum Menschen stattfindet. Und es muss alles getan werden, damit nicht große Anteile der Weltbevölkerung ihren Fleischkonsum so entwickeln, wie wir das getan haben. Denn sonst kippt das System der Welternährung aus den Angeln – egal, wie groß unsere Erfolge in der Produktivitätssteigerung auch ausfallen mögen.
Wie meine einfachen Zahlenspiele zeigen, muss man kein Studium der Mathematik absolviert haben, um zu diesem Schluss zu kommen. Es reicht, ein paar öffentlich zugängliche Zahlen mit Hilfe die Grundrechenarten miteinander zu verbinden. Wenn man weniger mathematisch, sondern eher visuell veranlagt ist, hilft ein Blick in die Statistiken der FAO [42] , um zu verstehen, welch zentrale Bedeutung der Fleisch/Futtermittel-Komplex für die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln hat.
Aus den Diagrammen wird ersichtlich, dass nicht einmal die Hälfte des weltweiten Getreideverbrauches auf den unmittelbaren Verzehr als Lebensmittel entfällt. Dabei ist hier sogar der Reis mit eingerechnet, der nach wie vor zu 100 % auf den Tisch der Menschen kommt und in unseren Betrachtungen zur Fleischproduktion bisher keine Rolle spielte.
Und doch ist es offenbar nicht einmal selbstverständlich, das Selbstverständliche auch öffentlich auszusprechen. Als die zu diesem Zeitpunkt neue Agrarministerin Ilse Aigner im Vorfeld der Internationalen Grünen Woche 2009 einem Journalisten anvertraute, es sei wünschenswert, wenn wir alle etwas
Weitere Kostenlose Bücher