FOOD CRASH
mit Milchaustauschern gefüttert. Die bestehen aus Magermilch und pflanzlichen Fetten oder sogenannten Nullaustauschern ohne Milchbestandteile. Letztere haben mit Milch nichts mehr zu tun, ermöglichen aber, dass die Kälber nicht auf die teure Kuhmilch angewiesen sind. Ab dem Alter von acht bis zehn Wochen beginnt man, Heu und auch ein bisschen Getreide zuzufüttern. Die Tiere werden in Boxen auf Stroh oder auf Vollspaltenböden gehalten, wo jedem von ihnen je nach Variante (Einzel- oder Gruppenboxen) und Alter zwischen 1 und 1,8 m² zur Verfügung stehen.
Das erlaubt zwar nicht viel Bewegung, hilft aber, die Zielgröße von 1200 g täglicher Gewichtszunahme zu erreichen: Wer sich wenig bewegt, setzt leicht an. Wenn ein Mastbulle im Alter von 16 bis 18 Monaten schlachtreif ist, hat er ein Gesamtgewicht von 600 bis 700 kg erreicht, was ca. 350 bis 450 kg verwertbarem Schlachtkörper entspricht. Alles in allem hat er bis dahin 850 kg Kraftfutter und 2000 kg Silomais gefressen und mehr als 13 000 l Wasser gesoffen. [29]
4 183 111 Milchkühe standen 2010 im Jahresdurchschnitt in Deutschlands Ställen und lieferten mehr als 1,42 Millionen Tonnen Milch. Auch sie haben längst aufgehört, vom Aufwuchs von Wiesen und Weiden zu leben. Zwar fressen sie in den Grünlandgebieten als Teil ihrer täglichen Ration noch Gras in Form von Heu oder Silage, in wenigen Fällen sogar noch durch selbständiges Grasen auf der Weide oder wenigstens frisch nach der täglichen Grünguternte durch den Bauern. Den größeren Teil ihrer Nahrungsenergie aber bekommen sie aus dem »Kraftfutter« bzw. dem Silomais.
Berechnet man, welcher Anteil der Milch, die eine Kuh gibt, aus welchem Anteil Futter stammt, das sie gefressen hat, dann zeigt sich, dass von den knapp 7000 Litern, die uns die durchschnittliche deutsche Kuh im Jahr 2010 zur Verfügung stellte, nur noch 40 % aus dem sogenannten »Grundfutter« stammen; und dazu zählt neben dem Gras auch der auf dem Acker angebaute Silomais. Der Rest stammt aus Getreide und Soja, alles Pflanzen, für deren Verzehr weder die Kuh noch ihr Verdauungsapparat eigentlich eingerichtet sind. Auf diese Weise sind die Grasfresser Rind und Schaf vom
Nahrungspartner,
der für die unmittelbare Produktion menschlicher Lebensmittel ungeeignete Grünlandflächen in Fleisch und Milch umwandelt, zum
Nahrungskonkurrenten
des Menschen geworden.
Die intensive Fütterung von Rindern mit Futtermitteln, für die sie eigentlich gar nicht gemacht sind, hat scheinbar vorteilhafte Folgen: Viel Milch kann zu geringen Kosten erzeugt werden, und auch dicke Steaks in argentinischen Steakhäusern kosten samt Beilage so viel, wie einem der Klempner für eine Viertelstunde abverlangt. Doch was ist der Preis für diesen Vorteil? Anita Idel, Tierärztin und Dozentin an der Universität Kassel hat darüber ein Buch geschrieben, dessen sperriger Titel bezeichnet, in welche Diskussion es eingreifen will: »Die Kuh ist kein Klimakiller«. [30] Darin kann man nachlesen, wieso sich die Fütterung von Rindern mit energiekonzentrierten Futtermitteln gegen die Natur dieser Grasfresser richtet. Und dass sie ihrer Gesundheit nicht guttut, auch wenn hohe Milchleistungen, beziehungsweise bei den Mastrindern Tageszunahmen, dieses System erfolgreich erscheinen lassen. Ich habe ein knappes Jahrzehnt einen Milchviehbetrieb geleitet und dabei die Folgen erlebt. Klauenkrankheiten beispielsweise, also Entzündungen an und zwischen den Klauen, sowie schlechte Gelenke oder Euterentzündungen würden bei einem artgerecht gehaltenen Rind nicht zur Regelkrankheit werden. Sie sind mittelbare und z.T. auch unmittelbare Folge davon, dass Kühe wie Schweine gefüttert werden und durch das Turbo-Futter zu Turbo-Milchleistern werden. Dem Tierarzt verschafft das zwar eine regelmäßige Beschäftigung – der Kuh aber ein kurzes Leben.
Es gibt Milchbauern, die legen nicht Wert auf die Höhe der »Laktationsleistung« (also der Milchmenge, die zwischen zwei Kalbungen ermolken wird), sondern auf hohe Lebensleistung (also die Milchmenge, die in der Summe ihres Lebens zustande kommt). Danach suchen sie sich die Zuchtlinien aus, von denen ihre Herde abstammt. Ganz wenige gibt es, die bestehen sogar darauf, ihren Kühen ausschließlich Rauhfutter zu füttern – von einem solchen Beispiel werde ich im letzten Kapitel noch berichten. Während in konventionell wirtschaftenden Betrieben in Deutschland die Kühe durchschnittlich gerade einmal 2,5 Kälber
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