Fool on the Hill
Geräusch leichter Schritte, die in stets gleichbleibender Entfernung, immer kurz vor ihm, aus dem Dunst zu vernehmen waren. Dann hörte er auch sie nicht mehr. In einer wabernden weißen Welt verloren - dennoch ohne Furcht -, ließ sich George von seinem Instinkt weiterleiten.
Die Bäume wichen auseinander, der Wald öffnete sich zu einer weiteren Lichtung. George spürte das eher, als daß er es sah; sehen konnte man mittlerweile nicht einmal mehr die Hand vor Augen. Er ging vorsichtig weiter, tastete nach etwaigen Hindernissen, und plötzlich war sie da. Seine Hand streifte etwas, was er für die Rückseite einer Schäferinnenhaube hielt; als sie sich umdrehte, breiteten sich seine Arme aus, um sie zu umfangen. Auch sie streckte ihm die Hände entgegen und ergriff den Saum seines Capes, als wollte sie sich vergewissern, daß er es wirklich war. Dann küßten sie sich schweigend, und als die Hände der Dame in einer hinreißend sinnverwirrenden Weise über seinen Rücken strichen, kam George nicht einmal auf den Gedanken, zu fragen, wo denn ihr Hirtenstab abgeblieben sei.
VI
»Rasferret der Engerling...«, begann Hobart mit ernster Miene. »Gleichfalls bekannt als Rasferret der Böse, Rasferret der Zerstörer. Ihr werdet herzlich wenig Namen finden, die so gefürchtet sind wie dieser. Rasferret ist unser kollektiver Alptraum, unser Stammesteufel, noch nach mehr als einem Jahrhundert fähig, blankes Entsetzen einzuflößen -, wenngleich die meisten derer, die ihm leibhaftig begegnet sind, nicht mehr von ihm berichten konnten. Schaut mich an, der ich in einem Alter, das früher nicht bemerkenswert genannt worden wäre, den Titel des Ältesten trage. Damals, als ich noch jung war und Julius Ältester... in jenen Tagen bedeutete alt noch wirklich alt. Der Krieg gegen Rasferret dezimierte uns und veränderte uns in mehr als einer Hinsicht.
Und was war er, dieser Teufel? Die einen sagen, er sei der Sproß eines der Unsrigen gewesen, der sich mit einer Rättin gepaart hatte - wenngleich ich persönlich mir eine solche Vereinigung nicht vorzustellen vermag; andere sagen, er sei ein echter Kobold gewesen, doch böse, und er habe nach langen Wanderungen, langen Jahren, die seinen Sünden gemäße Gestalt angenommen. Welcher Art seine Abstammung auch immer gewesen sein mag, seine Erscheinung kann unschwer aus einem seiner Beinamen erschlossen werden, ›der Engerling‹: eine kleine, widerliche, verwachsene Kreatur, deren Augen in einem gleißenden Blau glühten - der Farbe der Flamme, wo sie am heißesten ist. Einzig von Bosheit getrieben, kam er aus einer unbekannten, fernen Gegend, um uns zu bekriegen... und, Laertes, er kam nicht zur kalten Winterszeit, sondern zu Beginn des Frühlings.
Wer zum erstenmal von ihr hört, mag sich fragen, was für eine Bedrohung eine solche Kreatur darstellen konnte, so klein und allein, wie sie war. Doch natürlich ist Rasferret nie allein gewesen; von Anfang an hatte er die Ratten als Verbündete. Und es waren keine gewöhnlichen Ratten. Rasferret verfügte über magische Kräfte, Kräfte, die er, wie ich glaube, gestohlen haben muß (denn daß er sie rechtens erworben hätte, kann ich mir nicht vorstellen), und mit ihrer Hilfe verwandelte er die Ratten, ließ sie auf zwei Beinen laufen und Schwerter, Keulen und Armbrüste tragen. Mit einer Armee von vielleicht fünfhundert Tieren begann er seinen Ansturm auf den Hügel, und sein Ziel war unsere vollständige Vernichtung.
Die ersten Kampfhandlungen waren hinterhältige Überraschungsangriffe: Rasferrets Versuch, noch vor seiner Entdeckung soviel Schaden wie nur irgend möglich anzurichten. Immer wieder umzingelten die Ratten kleine Gruppen von Kobolden auf unübersichtlichem Gelände, überfielen die gänzlich Unvorbereiteten und ließen niemals Zeugen zurück. Mein eigener Bruder fiel bei einem solchen Überfall; noch lange Zeit danach wußten wir nicht, was ihm zugestoßen war.
Dann kam der Tag, als Rasferret sich stark genug fühlte, den offenen Kampf gegen uns zu wagen. Gegen Abend sollte eine Hochzeit in einem Garten gefeiert werden - nicht in diesem natürlich, aber nicht weit von hier entfernt -, und mehr als zweihundert Kobolde waren geladen. Kaum hatte die Zeremonie begonnen - die letzten Gäste waren gerade eingetroffen -, als sich die gesamte Rattenarmee mit der untergehenden Sonne im Rücken auf die Versammelten stürzte. Rasferret selbst kämpfte nicht mit - feige, wie er war, hielt er sich stets jedem Gefecht
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