Fool on the Hill
Großvater Hobart und zwei weitere Kobolde gerade dabei, einen Geschichtenerzählersessel zusammenzubauen: eine Konstruktion aus Eis-am-Stiel-Stielen und Zungenspateln, die an den Hochsitz eines Bademeisters erinnerte.
»Hobart sieht ja ganz vergnügt aus«, bemerkte Puck, während er aus der Ferne beobachtete, wie der alte Kobold den zwei jüngeren Anweisungen erteilte.
»Bei solchen Anlässen blüht er immer regelrecht auf«, sagte Zephyr. »Er ist schließlich der Älteste, und das gibt ihm die Gelegenheit, mit seinen Geschichtskenntnissen zu prunken.«
»Was für eine Geschichte wirst du dir wünschen?«
»Ich weiß noch nicht genau. Irgendwas mit Schmetterlingen vielleicht.«
Die letzte Latte des Stuhls wurde eingepaßt und Hobart auf den Sitz emporgehoben; Hände gingen Ruhe heischend in die Höhe. Die - zahlenmäßig inzwischen beträchtliche - Menge verstummte, und sämtliche Augen richteten sich auf den Geschichtenerzähler.
»Ä-hemm«, hub Hobart mit einem Räuspern an, und als er weitersprach, schwang in seinen Worten ein gewisser Stolz mit. »Ich brauche mich wohl nicht vorzustellen. Ihr alle wißt, wer ich bin, und ich selbst habe die meisten von euch schon bei der einen oder anderen Gelegenheit persönlich kennengelernt, wenn ich auch manche Namen vielleicht inzwischen durcheinanderbringen würde. Was die heutige Nacht angeht... ihr werdet mittlerweile schon bemerkt haben, daß es mit meinem Gedächtnis nicht gerade zum besten steht. Nichtsdestoweniger bin ich zuversichtlich, daß es mir gelingen wird, euch mit demjenigen Teil der Vergangenheit, der mir noch nicht entfallen ist, angenehm zu unterhalten. Ich bitte euch nur, von allzu persönlichen Fragen Abstand zu nehmen.« Sein Lächeln ging noch mehr in die Breite. »Außer natürlich, sie betreffen jemand anders als mich.«
Höfliches Gelächter. Hobart breitete die Hände aus und nickte zum Zeichen des Dankes. »Also dann...«, fuhr er fort. »Laßt uns jetzt anfangen. Was für eine Geschichte möchtet ihr hören?«
Schlagartig brach ein wirres Getöse aus; jeder der mehreren hundert Anwesenden verlangte lautstark nach etwas anderem. Hobart lauschte angestrengt, und es gelang ihm, hier und da tatsächlich, einzelne Wünsche aus dem allgemeinen Krach herauszuhören.
»Erzähl uns vom Glockenturm!«
»Wir wollen eine Mittsommernachts-Liebesgeschichte!«
»Schmetterlinge!« rief Zephyr. Hobart erkannte ihre Stimme unter allen anderen und nickte erneut.
»Genug!« sprach er; wieder verstummte die Menge. »Meine Enkelin hat soeben den Wunsch geäußert, eine Schmetterlingsgeschichte zu hören. Das ist ein wahrhaft bemerkenswertes Zusammentreffen, da ich just im selben Augenblick an einen Kobold namens Falstaff dachte, der einst den Titel eines Käptn Raupenschlepper erlangte, indem er -«
»Hobart!« rief eine Stimme. Mehrere Köpfe drehten sich um: Eine solche Unterbrechung war entsetzlich ungehörig. So wunderte es Puck nicht, Saffrons ungebärdigen Bruder Laertes zu sehen, der, die Hand am Griff seines Schwertes, hoch oben auf Aphrodites Brustkorb stand.
»Ich will eine Todesgeschichte«, sagte Laertes, ohne die mißbilligenden Blicke und geflüsterten Kommentare aus der Menge zu beachten.
»Eine Todesgeschichte?« entgegnete Hobart, und beugte sich in seinem Sessel vor. »Und wie kommst du darauf, der Tod sei ein passenderes Thema als Schmetterlinge?«
»Schmetterlinge interessieren mich nicht. Ich habe diesen Herbst eine Angehörige verloren - und nicht nur ich. Jetzt naht der Winter, und ich wette, der Tod hat dann eine weit größere Macht als alles, was da fleucht. Sogar das Große Volk« - er zeigte auf Aphrodite - »scheint das zu ahnen. Nicht umsonst nennt man bei ihnen diesen Tag das Fest der Toten!«
»Ich bin mir nicht sicher, ob sie ihn tatsächlich so nennen«, sagte Hobart, »und wir tun das ganz gewiß nicht. Es gibt schlimmere Schrecken als kaltes Wetter, Laertes.«
»Das ist mir egal. Ich will eine Todesgeschichte.«
»Was du brauchst, ist jemand, der dir ein paar Anstandsregeln einbleut«, rief Puck aus der Menge. Laertes warf ihm einen finsteren Blick zu, und seine Hand krampfte sich fester um den Schwertgriff. Hobart sah, daß er jeden Augenblick vom Leder ziehen würde.
»Genug!« rief der alte Kobold streng, ehe Puck und Laertes aufeinander losgehen konnten; er hatte ihr Duell nach Saffrons Gedächtnisfeier noch gut in Erinnerung. »Ihr hört augenblicklich auf, oder es gibt überhaupt keine
Weitere Kostenlose Bücher