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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Donnerstag stand George noch vor Tagesanbruch auf. Fest entschlossen, irgend etwas zu tun, schoß er mit einem wild-hoffnungsvollen Ausdruck im Gesicht, der einem vorbeitrottenden Jogger einen Heidenschrecken einjagte, aus dem Haus. Der recht skizzenhafte Plan, den er sich zurechtgelegt hatte, lief darauf hinaus, daß er sich wie ein echter fahrender Ritter durch heldenhafte oder mildtätige Werke bewähren müsse. Dann würde sein Kuß die Macht haben, die ihm jetzt noch fehlte.
    Das einzig Dumme war, daß Tapferkeit und tätige Nächstenliebe heute anscheinend nicht gefragt waren. Als er am Rand der Cascadilla-Schlucht dahinschlenderte, drangen Laute zu ihm empor, die wie verzweifelte Hilfeschreie klangen; doch nachdem er sich beim Abstieg zum Grund der Schlucht beinahe das Genick gebrochen hätte, fand er ein rundum zufriedenes, wenn auch etwas verfrorenes Pärchen, dem - außer vielleicht ein wärmerer Schlafsack - nichts fehlte. Peinlich berührt, schlug George einen Pfad ein, der in die Stadt führte; dort angekommen, versuchte er, sich als ritterlicher Schülerlotse zu betätigen; und hatte damit keinen anderen Erfolg, als die Kinder durch seinen furchterregenden Gesichtsausdruck in die Flucht zu schlagen. Eine schlampige alte Matrone, der er über eine stark befahrene Straße hatte helfen wollen, verpaßte ihm eine ordentliche Dosis aus ihrer chemischen Keule.
    So ging es ununterbrochen weiter bis zum Nachmittag. George hatte mittlerweile einen weiten Bogen geschlagen und befand sich inzwischen nördlich des Hügels, jenseits von Cayuga Heights. Der Regen überraschte ihn auf offenem Gelände, weit und breit war kein Unterstand zu sehen, und während er Ithaca im Chaos versinken ließ, zeitigte er bei George keine andere Wirkung, als ihn völlig zu durchnässen. Er war erschöpft, und sein verzweifelter Wunsch, Aurora wiederzubeleben, verwandelte sich allmählich in Wut auf den noch immer unsichtbaren Urheber seines Elends; er schlurfte auf Nebenstraßen weiter, schleuderte den Wolken wüste Drohungen entgegen und bildete sich ein, daß sie ihm mit einem kaum hörbaren Lachen antworteten.
    »Worauf wartest du noch?« brüllte er. »Ich werde mit allem fertig, was du zu bieten hast! Bringen wir’s endlich hinter uns!«
    Ein neues Geräusch: eine Sirene, die von hinten herankam. George drehte sich erwartungsvoll um, zutiefst erleichtert, daß nun endlich der Augenblick gekommen war, zum Ruhm seiner Prinzessin eine große Tat zu vollbringen. Aber er irrte sich; der rote Kleinlaster, der, dicht gefolgt von einem Polizeiauto, die Straße entlanggebraust kam, war nicht die Prüfung, nach der er sich sehnte. Er konnte nichts anderes tun, als aus dem Weg springen und blind im Schlammnebel herumtappen, den die zwei vorbeidonnernden Fahrzeuge verspritzten. Sie waren so schnell wieder weg, wie sie aufgetaucht waren, und hinterließen als akustische Spur ihrer Durchfahrt lediglich Sam Doubledays Schrei: »Rechts ran, du Arschloch!« Danach war kein anderes Geräusch zu hören als das Plätschern des Regens, Georges zornige Atemzüge und das leise himmlische Gelächter.
    »Na schön«, sagte George, vor Wut schäumend. »Na schön, ganz wie du willst.«
    Mit neuer Entschlossenheit nahm er seinen Marsch wieder auf; in die Richtung, in der Lastwagen und Polizeiauto entschwunden waren. Doch es wurde Abend, ehe er endlich jemanden fand, der seiner Hilfe bedurfte, und als es soweit war, hätte er es beinahe nicht bemerkt.
     
    II
     
    Wenn George vom Wahnsinn, der über Ithaca herabregnete, fast völlig verschont blieb, so schwamm Ragnarök praktisch darin, als er, begierig, Jack Baron das gleiche anzutun, was Jack seiner Maschine angetan hatte, auf der University Avenue in Richtung Fraternity Row rannte. Das Chaos schien sich auf seine Route konzentriert zu haben, wie ein zum Leben erwecktes und um den Hügel geschlungenes Dali-Bild. In einem Haus, an dem er vorbeikam, war jemand dabei, mit einem irren Gekicher Modelleisenbahnen durch die zahlreichen Scheiben eines Wohnzimmerfensters zu schleudern; zwanzig Meter weiter hatte jemand anders beschlossen, seine Möbel auf die Straße zu werfen: eine verzogene Kommode, ein durchnäßtes Sofa, einen zerschlagenen Standspiegel.
    Nicht weit davon entfernt stieß Ragnarök (der die Langsamkeit seiner Beine verfluchte) auf eine weitere dalieske Erscheinung: ein Pferd mit purpurroter Mähne, das von einem haarigen Mann in Lederkluft und mit einem am Gürtel festgeschnallten Sechserpack

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