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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Ritter.
    »Du kannst dich morgen bei ihm bedanken, Rag. Du kannst ihn anrufen, ja?«
    »Nicht nötig.« Seine Füße überprüften die Festigkeit des Bodens; er versuchte aufzustehen, es gelang ihm. »Brauch kein Telefon, er ist hier im Krankenhaus.«
    »Nein, George ist schon vor einer Weile nach Hause. Er hat gesagt, er hofft, daß du bald -«
    »Er ist hier. Besucht Aurora.«
    »Aurora?« wiederholte Myoko.
    »Woher weißt du das?« fragte Löwenherz. »Woher weißt du das, Rag?«
    Ragnarök stutzte, von der Frage überrascht. »Woher... ? Ich weiß es einfach. Irgend jemand« - er warf Myoko einen kurzen Blick zu - »irgend jemand muß mir das ins Ohr geflüstert haben, während ich weg war. Im Traum vielleicht. Ich muß George eine Botschaft überbringen.«
    »Morgen, Rag. Du kannst das morgen tun, okay?« »Morgen ist es zu spät«, sagte Ragnarök. Er kämpfte sich aus dem dünnen blauen Krankenhausnachthemd, das ihm jemand angezogen hatte, und sah sich nach seinen eigenen Sachen um. »Um morgen geht es ja gerade...«
     
    II
     
    In Auroras Zimmer standen noch zwei weitere Betten, doch sie waren beide leer. Das Licht war ausgeschaltet, und so konnte der Mond - die Wolken hatten sich inzwischen verzogen - hereinscheinen und die schlafende Prinzessin anstrahlen. Der Geschichtenerzähler saß in der dunklen Hälfte des Zimmers und betrachtete sie; sie war, wie er gesagt hatte, in der Tat eine schöne Schläferin. Hinreißend schön war sie jetzt anzusehen, trotz ihres bereits dreitägigen Krankenhausaufenthalts. Und es war gerade diese Schönheit, die ihn mehr als alles andere hoffen ließ.
    Tatsache war, daß er sich noch immer wie in einem Märchen vorkam. Sicher, bei seiner Suche nach einer ritterlichen Tat war er zum Narren gehalten worden (die Auffindung von Ragnarök zählte in seinen Augen kaum als Heldentat), aber das änderte grundsätzlich nichts an der Situation. Der vergiftete Apfel, die
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    schlafende Prinzessin, die Mutprobe, die er noch zu bestehen hatte. Vom Regen durchnäßt und von den Wolken ausgelacht zu werden hatte George weder dazu gebracht, an seinem Verstand z u zweifeln, noch hatte es seinen Optimismus nachhaltig gedämpft. Man hatte ihm Hindernisse in den Weg gestellt, und er war wütend; aber aufgeben wollte er nicht.
    In seiner hohlen rechten Hand lagen vier Kerne des Apfels; ab und an schüttelte er sie wie Würfel und horchte auf das Geräusch, das sie machten. Sie klapperten gerade wie ein aufgezogenes künstliches Gebiß, als er plötzlich die Anwesenheit eines Dritten im Zimmer spürte, einer Gestalt, die unmittelbar hinter ihm stand.
    Im ersten Moment dachte George, es müsse Kalliope sein. Als er sich umdrehte, war er jedoch nicht weiter überrascht, Ragnarök zu erblicken.
    »Auf dem Knochenacker«, sagte Ragnarök. Der Bohemier sprach mit der Stimme eines Geistes, der ein paar Zeilen aus dem falschen Theaterstück rezitiert.
    »Wie war das?« Georges Faust schloß sich und brachte die Kerne zum Schweigen.
    »Es ist auf dem Knochenacker«, sagte Ragnarök zu ihm. »Das, wonach du gesucht hast. Kalliope hat ein Geschenk für dich zurückgelassen.«
    Jetzt, da er sich seines Auftrags entledigt hatte, sackte Ragnarök in sich zusammen. Eine Hand stahl sich nach oben, berührte den Verband über dem Auge. »Müde«, sagte er mit einer Stimme, die schon mehr nach ihm klang. »Kopfweh.«
    »Warte mal«, sagte George, als der Bohemier sich zum Gehen wandte, und Ragnarök wartete... aber es schien nicht allzuviel Sinn zu haben, ihn auszufragen. Statt dessen nahm der Geschichtenerzähler etwas vom Nachttisch neben Auroras Bett und bot es ihm an, eine Gegengabe. »Ich glaube, das gehört dir. Es lag neben dir auf der Brücke.«
    Ragnarök zuckte beim Anblick seiner Keule zurück. Anfangs schien er unwillig, Besitzansprüche darauf zu erheben, doch dann rief ihm ein plötzliches Brennen im Auge Jack Baron ins Gedächtnis zurück, und seine Hand schloß sich um den schwarzen Griff der Waffe. »Alles klar«, sagte er und nahm sie. Und dann: »Wir sehen uns morgen, George. Tu du, was du heute nacht zu tun hast, und morgen sehen wir uns wieder.« Er drehte sich um und schlurfte aus dem Zimmer. Wieder allein mit der Prinzessin, fragte sich George, ob das Ganze nicht vielleicht eine Halluzination gewesen sei. Aber nicht lange.
    Er bestellte ein Taxi, und eine Viertelstunde später war er abermals auf dem Weg zum Hügel. Zum Knochenacker.
     
    Fractor Draconis
     
    I
     
    Der Knochenacker

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