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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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liberale Universitäten besagt, daß selbige keine oder nur verschwindend wenige Jungfrauen beherbergen. Natürlich wird bereits eine flüchtige Inaugenscheinnahme - denn eine Jungfrau erkennt ein geübter Betrachter bereits daran, wie sie/er sich die Schnürsenkel bindet - sehr rasch die Irrigkeit dieser Behauptung an den Tag bringen. Ja, selbst schlichtes logisches Nachdenken würde sie hinlänglich widerlegen - warum sollten nämlich Jungfrauen, wenn sie wirklich so selten wären, im Bewußtsein der Öffentlichkeit eine so große Rolle spielen? Trotz der Tatsache jedoch, daß Cornellianer im Ruf stehen, vor Logik schier zu bersten, vergeht keine Nacht, in der nicht wenigstens dreißig Prozent der Studentenschaft mit der Überzeugung zu Bett gehen, alle anderen bumsten, nur sie nicht.
    Was nicht bedeuten soll, daß Cornell in Sachen Enthaltsamkeit der Oral Roberts University (Tulsa, Oklahoma) das Wasser reichen könnte. Doch eine Nacht, in der die Mehrheit der Bevölkerung Geschlechtsverkehr hätte, wäre in der Tat eine außergewöhnliche Nacht, während eine, in der dies auf nahezu alle zuträfe, praktisch einem Wunder gleichkäme.
    Folgendermaßen aber kommen Wunder zustande: Genau in dem Augenblick, da Georges und Kalliopes Lippen sich im Fiebertraum berührten, stießen unmittelbar nördlich von Ithaca zwei Tanklastzüge auf einer Fernstraße frontal zusammen. Der eine Laster gehörte einem Forschungsinstitut und enthielt knapp fünftausend Liter eines synthetischen menschlichen Pheromons; der andere transportierte eine chemische Substanz, die bei der Herstellung von Damen-Intimsprays verwendet wird. Infolge des Unfalls entwichen Dämpfe von beiden Substanzen und bildeten eine unsichtbare Wolke, die mit dem Wind in südlicher Richtung trieb und überall, wo sie hinkam, zur Lockerung der Moral, Festigung der Erektionen und Versteifung der Brustwarzen führte. Gegen 23 Uhr 30 erreichte die Wolke den North Campus; bis Mitternacht waren die Kondombestände des Unishops restlos ausverkauft, und wer zu spät kam, mußte improvisieren. In den letzten fünf Minuten vor Ladenschluß gingen Gummihandschuhe weg wie warme Semmeln.
    Der Wind blies weiter, und die Wolke zog über den West Campus hinunter nach Ithaca, wo sie weitere Sinnestaumel auslöste. Es war eine Nacht, die die Vorsehung für die Liebe - oder zumindest für einen fröhlichen Fick - ausersehen zu haben schien, und um so betrüblicher ist es, daß keine statistischen Erhebungen angestellt wurden; Masters und Johnson hätten sich die Daten zweifellos einiges kosten lassen. Doch muß es wie eine Ironie des Schicksals anmuten, daß, wenngleich eine detaillierte Schilderung aller Abenteuer dieser Nacht ganze Bände füllen würde, die intensivste Begegnung überhaupt nichts mit der Pheromonwolke zu tun hatte. Den Vogel schoß nämlich diesbezüglich ein Schriftsteller ab, der ganz allein in einem knallgelben Haus in der Stewart Avenue wohnte und in dieser Nacht keinerlei chemischen Unterstützung bedurfte. Stephen Titus George hatte endlich einen Treffer gelandet.
     
    II
     
    Vor Mitternacht wieder zu Hause, versank George, was wohl niemanden wundern wird, alsbald in fundamentale Betrachtungen über die Wollust und namentlich über die Schwierigkeiten, die mit dem Versuch einhergehen, sie in schriftliche Form zu fassen. Er hatte alle Gedanken an die »Fiebertraum-Frau« so ziemlich aus seinem Bewußtsein verdrängt, da es ihm am vernünftigsten zu sein schien, einfach ihren nächsten Schritt abzuwarten. Während er also Speisekammer und Kühlschrank nach etwas Eßbarem durchwühlte, konzentrierte er sich statt dessen auf die Unzulänglichkeit seiner muttersprachlichen Mittel. Das konkrete Problem, das ihn im Augenblick beschäftigte, war erstmals in der Rohfassung eines unvollendet gebliebenen Romans mit dem Titel ›Venusneid‹ aufgetaucht: das eckige, rotzige, spillerige Wortbalg ficken, das kein um Zartgefühl und Eleganz bestrebter Autor guten Gewissens verwenden konnte. (Und der verhüllende Ausdruck »sich lieben« war - durch die Unterstellung einer Empfindung, die nicht immer am gemeinten Vorgang beteiligt war - nicht minder problematisch.) Noch schlimmer wurde die Sache, wenn man schildern wollte, was die zwei Beteiligten im ein/einen miteinander taten, weil man auf eine wahre Sintflut blödsinnigster Bezeichnungen für die einschlägigen Körperteile stieß. »Brüste« klang irgendwie okay, aber alles übrige war entweder von einer abstoßenden

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