Fool on the Hill
Wissenschaftlichkeit - »Penis«, »Klitoris«, »Gesäß« - oder stammte geradewegs aus Brooklyner Taxifahrerschnauzen. Wie »Schwanz«; George hatte nie verstanden, wie ein Schriftsteller das Wort »Schwanz« verwenden konnte, ohne grinsen zu müssen. »Aber es soll ja albern klingen, wußtest du das nicht?« hatte Aphrodite ihm einmal erklärt. »Das Ding ist schließlich einer der lächerlichsten Anblicke, die man auf Gottes weiter Erde geboten kriegt.« Alles schön und gut, aber George hätte durchaus einwenden können, daß es für die weiblichen Genitalien etwa sechs Millionen ebenso alberner Euphemismen gab.
»Ja«, sagte George zu sich selbst und zwängte zwei Pufftörtchen in den Toasterschlitz, »schön, aber ich wüßte doch gern, wie sie heißt.«
Es ist natürlich unmöglich, eine schöne Frau zu vergessen, die einen erst kürzlich im Dunkeln geküßt hat; ganz besonders, wenn sie zudem die schönste Frau der Welt ist. Kalliope drängte sich wieder in seine Gedanken; es half alles nichts. Was spielte es andererseits schon für eine Rolle, ob man ernsthaft über Sex schreiben konnte oder nicht? ›Venusneid‹ ruhte unvollendet in irgendeiner Schublade, doch er hatte ja immer noch seine anderen Projekte. Kein Grund also, auch nur einen Gedanken an Venus zu verschwenden, und wie zum Teufel hieß sie? George hielt es kaum noch aus vor Neugierde und verwandten Empfindungen.
Er hatte eine Milchtüte aus dem Kühlschrank genommen und sie auf den Tisch gestellt. Eine hübsche große Tüte mit einer grinsenden Kuh auf der Seite. »Ich weiß nicht, was es ist«, sagte George zu der Kuh. »Es ist irgendwie so, als hätte ich im Lotto gewonnen; bloß kann ich mich nicht daran erinnern, einen Tippschein ausgefüllt zu haben, hab mich nie darum gekümmert, ob meine Zahlen stimmen, und ich weiß nicht mal genau, worin der Hauptgewinn eigentlich besteht. Ich weiß nur, daß er unterwegs ist.« Er holte sich ein Glas und goß es halb voll Milch. Nervös daran nippend, ging er auf und ab, und dann spürte er den Luftzug von nebenan. Er blieb stehen. Durch die Tür konnte er eine Gestalt erkennen, die im dunklen Wohnzimmer vor einem offenen Fenster stand - einem Fenster, das er vor nicht einmal zehn Minuten geschlossen und verriegelt hatte.
George widerstand der starken Versuchung zu fragen, wer da sei; er wußte sehr wohl, wer es war. Hatte er sie nicht erwartet? Sie trat langsam ins Licht und sah so verführerisch aus wie kurz zuvor im Fiebertraum - ja, noch verführerischer sogar, da sie jetzt nichts anderes anhatte als ein komisches Silberpfeifchen, das ihr zwischen den Brüsten hing. Schöne Brüste, schönes Gesicht. Der Rest war auch schön.
Mit einem Klick sprangen die Pufftörtchen aus dem Toaster, um nachzusehen, was los sei. George streckte, ohne seinen Blick von Kalliope zu wenden, den Arm aus, um das Glas auf den Tisch zu stellen. Der stand indes woanders, und das Glas zerschellte, Milch verspritzend, am Boden. George merkte nichts davon.
»Na«, sprach er (es waren dies die letzten Worte aus seinem Mund, bevor seine Zunge anderweitig ihre Tätigkeit aufnahm). »Das ist ja recht interessant.«
Dann strebten sie wieder aufeinander zu, und erneut begann George sich zu fragen, ob sie jemals zusammenkommen würden, und ebenso, ob sie wieder nach dem ersten Kuß verdunsten würde, wie sie es im Fiebertraum getan hatte (denn das war wirklich passiert). Schließlich aber fragte er sich, was auf den ersten Kuß folgen würde; falls etwas folgen würde.
Sie kamen zusammen.
Kalliope verlor in seinen Armen nicht an Festigkeit. Was folgte, war ebenso wundersam.
III
Puck wohnte unter den hohen Dachsparren der Barton Hall, in einer Flucht von hängenden Vogelhäuschen, die er und Spinnweb ein paar Jahre zuvor dort angebracht hatten. Eine Falltür von der Größe einer Spielkarte führte in seinen versteckten Hangar auf dem Dach. Dort fand ihn Zephyr, wie er am Rand einer schmalen Rollbahn im Mondschein saß und unverwandt in Richtung Naturpark starrte. Sie führte das Landemanöver mit der gebotenen Vorsicht durch - abgesehen von der Rollbahn war das Dach gefährlich abschüssig, sein Neigungswinkel schwer abzuschätzen -, und nachdem sie den Gleiter im Hangar sicher untergebracht hatte, ging sie wieder ins Freie und setzte sich neben Puck. Eine ganze Weile sprach keiner ein Wort.
»Es war eine schöne Trauerfeier«, sagte Puck endlich, um das Schweigen zu brechen. »Hobarts Nachruf auf Spinnweb hat
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