Fool: Roman (German Edition)
schrecklicher, böser, kleiner Mann.«
»Böse? Moi? «, sagte ich in geschliffenem Froschfresserisch.
»Behalt’s für dich«, sagte sie.
So war es schon immer mit Goneril gewesen. Ihr »Behalt’s für dich« galt allerdings nur für mich, nicht für sie, wie ich hatte feststellen müssen.
»Pocket«, hatte sie einmal gesagt, während sie ihr rotgoldenes Haar an einem Fenster bürstete und das Sonnenlicht darauf fiel, als leuchtete sie innerlich. Damals war sie etwa siebzehn Jahre alt gewesen und hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mich mehrmals wöchentlich in ihre Gemächer zu bestellen, um mich gnadenlos auszufragen.
»Pocket, ich soll bald heiraten, und das männliche Ding ist mir ein Rätsel. Ich habe gehört, wie jemand es beschrieb, aber das nützt mir nichts.«
»Fragt Eure Amme! Sollte sie Euch so was nicht erklären?«
»Tantchen ist Nonne, vermählt mit Jesus. Eine Jungfer.«
»Was Ihr nicht sagt. Da war sie wohl im falschen Kloster.«
»Ich muss mit einem Mann sprechen, nur nicht mit einem echten Mann. Du bist wie einer von diesen Burschen, die bei den Sarazenen den Harem bewachen.«
»Ein Eunuch?«
»Siehst du? Du bist welterfahren und weißt von diesen Dingen. Ich muss deinen Lümmel sehen.«
»Bitte? Was? Wie?«
»Denn ich habe noch nie einen gesehen, und ich möchte in meiner Hochzeitsnacht nicht als naiv dastehen, wenn der verkommene Grobian mich schändet.«
»Woher wisst Ihr, dass er ein verkommener Grobian ist?«
»Tantchen hat es mir erzählt. Alle Männer sind so. Also, heraus mit deinem Lümmel, Narr!«
»Warum mein Lümmel? Es gibt doch reichlich Lümmel, die Ihr Euch ansehen könntet. Was ist mit Oswald? Unter Umständen hat er sogar einen, aber im Zweifel weiß er bestimmt, wo man einen bekommen kann.« Oswald war damals schon ihr Lakai.
»Ich weiß, aber es wird mein Erster sein, und deiner ist ganz sicher klein und nicht so beängstigend. Es ist wie damals, als ich reiten lernte und Vater mir erst ein Pony gab, aber dann, als ich älter wurde …«
»Na, meinetwegen. Wenn Ihr dann Ruhe gebt. Hier.«
»Ach, sieh mal einer an!«
»Was?«
»Das war es schon?«
»Ja. Wieso?«
»Dann muss man sich davor ja wohl nicht fürchten, oder? Ich weiß gar nicht, was der ganze Aufstand soll. Er ist doch eher ein wenig Mitleid erregend, wenn du mich fragst.«
»Ist er nicht.«
»Sind alle so klein?«
»Die meisten sind kleiner.«
»Darf ich ihn mal anfassen?«
»Wenn es sein muss …«
»Jetzt sieh sich das mal einer an!«
»Seht Ihr, jetzt habt Ihr ihn erzürnt...«
»Wo, in Gottes Namen, warst du?«, sagte sie. »Vater hat vor Sorge um dich fast den Verstand verloren. Jeden Tag war er bis in den Abend mit seinem Hauptmann auf Patrouille und ließ seine marodierenden Ritter in der Burg zurück. Der Herzog hat Soldaten bis nach Edinburgh geschickt, um dort nach dir zu suchen. Ich sollte dich ertränken lassen, für den Ärger, den du uns bereitest.«
»Ihr habt mich vermisst, was?« Ich hielt den seidenen Beutel an meinem Gürtel fest und überlegte, wann ich den Zauber wohl am besten losließ. Und wenn sie erst verzaubert war – wie wollte ich meine Macht dann nutzen?
»Eigentlich sollte sich Regan längst um ihn kümmern, aber bis er seine verfluchten hundert Ritter bis ganz nach Cornwall geschafft hat, bin ich schon wieder an der Reihe. Ich kann den Pöbel in meinem Palast nicht mehr ertragen.«
»Was meint Lord Albany dazu?«
»Er meint, was ich ihm sage. Es ist absolut unerträglich.«
»Gloucester«, sagte ich und bot ihr das Paradebeispiel eines Paradoxons, gewandet in ein Rätsel.
»Gloucester?«, fragte die Herzogin.
»Dort lebt des Königs alter Freund. Es liegt auf halbem Wege zwischen hier und Cornwall, und der Graf von Gloucester wird nicht wagen, sich dem Wunsch der Herzöge von Albany und Cornwall zu widersetzen. Ihr würdet den König nicht unversorgt lassen, hättet ihn jedoch auch nicht ständig um Euch.« Da mich die Hexen gewarnt hatten, dass Drool dort in Gefahr sei, war ich wild entschlossen, alles Übel auf Gloucester niederregnen zu lassen. Ich setzte mich ihr zu Füßen auf den Boden, legte Jones quer auf meine Knie und wartete, die Puppe und ich beide fröhlich grinsend.
»Gloucester …«, sagte Goneril, und ein leises Lächeln sickerte hervor. Sie war wirklich süß, wenn sie vergaß, grausam zu sein.
»Gloucester«, sagte Jones, »der Hundehoden aus West-Engelland.«
»Meinst du, Vater lässt sich darauf ein? So hat
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