Fool: Roman (German Edition)
Vater.«
»Das war ein entschiedenes Nein«, sagte ich.
»Was ist ›gepoppt‹?«, fragte Cordelia.
»Ich hab’s gesehen«, sagte Oswald.
»Ein Mann gepoppt, ein Narr gepoppt, das eine ist wie das andere«, sagte Goneril. »Doch heute Morgen habe ich Euren Narren gepoppt, roh und redlich. Ich habe ihn geritten, bis er Götter und Pferde beschwor, mich von ihm zu zerren.«
Was sollte das? Erhoffte sie sich neuerliche Strafe?
»Das stimmt«, sagte Oswald. »Ich habe den Schrei gehört.«
»Gepoppt, gepoppt, gepoppt!«, sagte Goneril. »Ach, was spüre ich da? Kleine Bastardnarren rühren sich in meinem Schoß. Ich höre schon die kümmerlichen Glöckchen!«
»Verlogen Weibsbild!«, rief ich. »Narren kommen ebenso wenig mit Glöckchen auf die Welt wie Prinzessinnen mit Giftzähnen. Beides muss man sich erwerben.«
Lear sagte: »Wenn das stimmt, Pocket, lasse ich dir eine Hellebarde in den Arsch schieben.«
»Du darfst Pocket nicht töten!«, rief Cordelia. »Ich brauche ihn. Er muss mich aufheitern, wenn mich der rote Fluch heimsucht, wenn die Depressionen kommen.«
»Was redest du da, Kind?«, sagte ich.
»Alle Frauen kriegen es«, sagte Cordelia. »Es ist die Strafe für Evas Verrat im Garten des Bösen. Die Amme sagt, es macht einen furchtbar griesgrämig.«
Ich tätschelte dem Kind den Kopf. »Potztausend, Sire! Ihr solltet den Mädchen mal Lehrer besorgen, die keine Nonnen sind.«
»Ich muss bestraft werden«, sagte Goneril.
»Ich habe den Fluch schon seit Monaten«, sagte Regan, ohne auch nur von ihren Klöppeleien aufzublicken. »Ich habe festgestellt, dass ich mich besser fühle, wenn ich in den Kerker gehe und irgendwelche Gefangenen foltere.«
»Nein, ich will meinen Pocket«, sagte Cordelia und fing an zu jammern.
»Du kriegst ihn nicht«, sagte Goneril. »Auch er muss bestraft werden. Nach allem, was er getan hat.«
Oswald verneigte sich ohne ersichtlichen Grund. »Dürfte ich vorschlagen, seinen aufgespießten Kopf auf der London Bridge auszustellen, um weitere Ausschweifungen zu unterbinden?«
»Schweigt«, sagte Lear und stand auf. Er kam die Stufen herab, ging an Oswald vorbei, der auf die Knie fiel, und blieb vor mir stehen. Er legte seine Hand auf Cordelias Kopf.
Der alte König nahm mich mit seinem Falkenblick ins Visier. »Bevor du kamst, hat sie drei Jahre nicht gesprochen«, sagte er.
»Aye, Sire«, sagte ich und senkte meinen Blick.
Er wandte sich Goneril zu. »Geh in dein Gemach! Eine Amme soll sich um deine Hirngespinste kümmern. Sie wird dafür sorgen, dass daraus kein Problem erwächst.«
»Aber, Vater, der Narr und ich …«
»Unsinn, du bist eine Jungfer«, sagte Lear. »Wir haben zugesagt, dich als solche dem Herzog von Albany zu übergeben, und so wird es sein.«
»Sire, die Lady wurde geschändet«, sagte Oswald, der Verzweiflung nah.
»Wachen! Schafft Oswald in den Zwinger und gebt ihm für seine Lügen zwanzig Peitschenhiebe.«
»Aber Sire!« Oswald wand sich, als zwei Wachen seine Arme packten.
»Zwanzig Hiebe, um dir meine Gnade zu beweisen! Noch ein Wort, und dein Kopf ziert die London Bridge.«
Sprachlos sahen wir, wie die Wachen Oswald mit sich zerrten, den aufgeblasenen Lakaien, heulend und puterrot, weil er sich alle Mühe gab, seine Zunge zu hüten.
»Darf ich zusehen?«, fragte Goneril.
»Geh!«, sagte Lear. »Und dann zu deiner Amme!«
Regan war aufgesprungen und stand neben ihrem Vater. Hoffensvoll sah sie ihn an, auf Zehenspitzen, klatschte vor Freude in die Hände.
»Ja, geh du nur«, sagte der König. »Aber du darfst nur zusehen.«
Regan stürmte aus der Halle, folgte der älteren Schwester, und das Rabenhaar flog in ihrem Rücken wie ein finsterer Kometenschweif.
»Du bist mein Narr, Pocket«, sagte Cordelia und nahm meine Hand. »Komm, hilf mir! Ich bringe Dolly Französisch bei.« Die kleine Prinzessin führte mich hinaus. Ohne ein weiteres Wort sah uns der alte König nach, zog eine weiße Augenbraue hoch, unter der sein Falkenauge funkelte wie ein ferner, kalter Stern.
11
Ein bittrer Narr, ein süßer Narr
Goneril stieß mich von ihrem Schoß wie einen Sack voll ertränkter Kätzchen. Sie riss den Brief auf und fing ohne Umschweife an zu lesen, sparte sich die Mühe, vorher ihre Brüste ins Kleid zu stopfen.
»Mylady«, sagte Oswald noch einmal. Er hatte durch die Peitschenhiebe offenbar gelernt. Er tat, als sähe er mich nicht. »Euer Vater ist in der Großen Halle und fragt nach seinem Narren.«
Verärgert blickte
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