For the Win - Roman
Befriedigt betrachtete Jie die Flammen und die dunklen Rauchschwaden, die aus der Wand leckten. Gleich darauf gingen alle Lichter aus, und ein Feueralarm wurde aktiviert – ein schrilles Läuten, das ihnen durch Mark und Bein fuhr und selbst die Helikopter und Sirenen übertönte.
Jie knipste eine kleine rote LED -Lampe an, die ihr Gesicht in dämonisches Licht tauchte. Sie wirkte sehr zufrieden mit sich, und das beruhigte Lu.
»Was jetzt?«, fragte er.
»Jetzt spazieren wir einfach raus, zusammen mit allen anderen, die vor dem Feueralarm fliehen.«
Überall im Gebäude gingen die Türen auf. Verschlafene Familien traten heraus, und schwarzer, beißender Rauch zog durch die Flure. Sie rannten zum Treppenhaus, wo sie tags zuvor der alten Frau begegnet waren. Dort stießen sie auf Hunderte, Tausende weiterer Flüchtlinge, die ihre Babys und Besitztümer an die Brust pressten und ältere Familienmitglieder bei der Hand hielten.
Vor dem Gebäude versuchte die Polizei, sie in geordnete Gruppen einzuteilen, doch der Ansturm und die Verwirrung waren einfach zu groß. Es fiel ihnen leicht, durch die Absperrung zu schlüpfen und sich unter die Gaffer zu mischen.
Ob man nun ein Revolutionär, ein Fabrikbesitzer oder ein Hockeymanager der Zweiten Liga war, es gab etwas, das zu übersehen man sich nicht leisten konnte: die Coase-Kosten.
1937 veröffentlichte Ronald Coase, ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, einen Artikel namens »The Nature of the Firm«, der alles verändern sollte. Coase behauptete in seinem Aufsatz, das Kerngeschäft egal welcher Organisation bestehe darin, Menschen zu organisieren: Eine Religion sei dazu da, Leute zum Gebet zu vereinen und sie für Kirchen, Priester oder Rabbis spenden zu lassen; eine Schuhfabrik bringe Leute zur Herstellung von Schuhen zusammen; eine revolutionäre Zelle organisiere die Bestrebungen von Menschen, ihre Regierung zu stürzen.
Demnach war Organisation eine Art Steuer auf menschliche Aktivitäten. Für jede Minute, die man damit zubrachte, irgendwas zu tun, musste man auch ein paar Sekunden dem organisatorischen Aufwand opfern, damit man im Vergleich zu seinen Mitarbeitern nicht schneller, langsamer oder ganz an ihnen vorbei arbeitete. Diese paar Sekunden, die man der Organisation selbst entrichtete, waren die Coase-Kosten – der Tribut, den man der Tatsache zollte, dass Menschen eben keine Ameisen, Bienen oder sonst eine Spezies sind, die rein aus Instinkt in Formation agiert.
Natürlich war es möglich, diese Kosten zu umgehen: Man musste sich bloß an Projekte halten, für die man keinerlei Hilfe brauchte, wie zum Beispiel … hm, Schuhe binden? (Nein, es sei denn, man flocht sich seine eigenen Senkel.) Sandwichs toasten vielleicht? (Nur, wenn man sich Feuerholz, den Weizen fürs Brot und die Milch für den Käse selbst beschaffte.)
Tatsache war: Fast alles, was man tat, war Gemeinschaftsarbeit. Irgendwer dort draußen hatte immer dazu beigetragen. Und deshalb war ein Teil aller Kosten stets der reinen Koordination geschuldet: dass der Käse in den Kühlschrank kam und der Kühlschrank auch mit Strom versorgt wurde.
Man konnte die Coase-Kosten also nicht völlig vermeiden; man konnte sie nur senken, und dafür gab es zwei Möglichkeiten. Die eine bestand darin, bessere Formen der Organisation zu finden. Doppelte Buchführung zum Beispiel war eine Erfindung des dreizehnten Jahrhunderts, die einschlug wie eine Bombe und bald Grundlage des Geldverdienens auf der ganzen Welt wurde, ob bei Kirchen, Regierungen oder Firmen. Die andere Möglichkeit war, neue Technologien zu entwickeln.
Angenommen, man wollte an irgendeinem Freitagabend im Jahre 1950 einen Film sehen, und zwar nicht allein, sondern mit Freunden, dann musste man sich zunächst einmal eine Zeitung suchen und nachschauen, was lief. Danach musste man bei seinen Freunden daheim anrufen (keine Handys!) und ihnen – zum Beispiel über die Eltern – eine Nachricht hinterlassen. Als Nächstes wartete man ab, wer alles zurückrief und was die Leute gerne sehen wollten. Dann rief man wieder alle an und versuchte, eine kritische Masse von ihnen für den gleichen Film zu begeistern. Schließlich musste man zum Kino fahren oder laufen und einander dort finden, immer in der Hoffnung, dass die Vorstellung nicht schon ausverkauft war.
Wie viel das einen kostete? Man hätte auch fragen können, wie viel der Kinoabend eigentlich wert war. Anders ausgedrückt: Wie viel Geld würde jemand einem zahlen
Weitere Kostenlose Bücher