For the Win - Roman
auch diese neue Rinde, die sich um die anderen in der Gruppe kümmerte und schaute, ob sie mitspielten oder über die Stränge schlugen.
Damit stellten die Coase-Kosten auch die natürliche Grenze übermenschlichen Strebens dar. Waren sie geringer als der Wert eines beliebigen Vorhabens, dann konnte man sich ein paar Freunde holen und es angehen; im Klartext: über die Schranken, die die Natur uns haarlosen Affen auferlegt hatte, hinauswachsen und Übermenschliches vollbringen.
Daraus folgte auch, dass geringe Coase-Kosten einen mächtiger machten. Gleichzeitig taten sich große Unternehmen mit viel Macht und Geld auch leichter, hohe Coase-Kosten zu bewältigen: Eine Regierung konnte 10000 Soldaten mit Panzern, Proviant und Sanitätern in die Schlacht schicken; ein einzelner Mensch konnte das nicht. So gesehen schränkten hohe Coase-Kosten nur das Potenzial des Einzelnen für Übermenschliches ein, während die Reichen und Mächtigen über Superkräfte verfügten, die einfache Menschen niemals erlangten.
Und das war der wahre Grund, weshalb die Mächtigen offene Systeme und Netzwerke so fürchteten: Wenn nämlich jeder jeden auf der Welt kostenlos übers Internet anrufen konnte, dann konnten alle mit derselben Leichtigkeit kommunizieren, die für die Mächtigen schon lange gang und gäbe war. Wenn jeder in der Spielwelt virtuelle Reichtümer schaffen und verkaufen konnte, dann steckten, wirtschaftlich gesehen, auf einmal alle Menschen in denselben Schuhen wie die multinationalen Megakonzerne, denen die Spiele gehörten.
Und wenn irgendein Arbeiter, egal wo, mit irgendeinem anderen Arbeiter anderswo kostenlos und ohne Verzögerung kommunizieren konnte und dafür nicht mal die Erlaubnis seines Chefs benötigte, dann taten die Bosse besser daran, sich warm anzuziehen: Denn die Kosten dafür, bessere Löhne, Arbeitsbedingungen und ein Stück vom großen Kuchen einzufordern, waren gerade mächtig gesunken.
Kein Herrscher aber hatte Lust, sich seine Macht von ein paar Gemeinen streitig machen zu lassen.
Die Kommandozentrale von Coca-Cola-Games war von einem der weltweit führenden Filmset-Designer entworfen worden. Die Auftraggeber hatten sich einen Raum gewünscht, von dem aus man auch ein böses Imperium hätte lenken können. Er hätte sich aber auch ganz gut zur Leitstelle einer intergalaktischen Raumflotte oder einer Armee von Hightech-Söldnern geeignet. Hier bestand alles nur aus Kurven, gebürstetem Edelstahl und Punktstrahlern, und was man nicht verchromt hatte, war schwarz und mit abgewetztem Vintage-Leder aus alten Bikerjacken akzentuiert. Überall schlummerten versteckte Bildschirme: in den Tischen, im Boden, an der Decke oder an der Rückseite einer Tür. An jeder Wand konnte man schreiben, indem man einen der mit RFID -Chips und Beschleunigungssensoren ausgestatteten Spezialstifte benutzte. Die Daten wurden an einen Computer übertragen, der sie wiederum auf drahtlos miteinander vernetzten Touchscreens darstellte, die überall mit Klettbändern fixiert waren.
Schicke Bilder der Kommandozentrale schmückten die Werbeseiten von Coca-Cola-Games, und natürlich hatte CCG auch ein paar selbstverliebte Dokumentationen über sich in Auftrag gegeben, in denen alles noch wie aus dem Katalog wirkte und voll mit frischen, jungen Leuten war, die modische Klamotten trugen und schrecklich fröhlich und intelligent rüberkamen.
Das alles war eine Lüge.
Zehn Sekunden, nachdem die Herren der Spiele in der Kommandozentrale Quartier bezogen hatten, war jeder Touchscreen kaputt oder gestohlen. Die in die Tische eingelassenen Terminals waren veraltet, noch bevor sie richtig liefen, und fügten sich in ihr schmähliches Schicksal als Abstellplätze für brandneue Laptops, deren Grafikkarten so heißliefen, dass ihre Kühler wie Düsentriebwerke klangen.
Weitere fünfzehn Sekunden später war jeder freie Stellplatz übersät mit Junkfood-Abfall, Pizzakartons, Energydrinks, Science-Fiction-Heftchen, gebrauchten Taschentüchern, Wollmützen, aus Notizzetteln gefalteten Orkhelm-Origamis und der unendlichen Vielfalt blödsinniger Werbegeschenke, die CCG zu seinen Spielen rausbrachte, von Bonbonspendern über Fahrradventile bis hin zu Trading-Cards und Taschenmessern.
Noch einmal zwanzig Sekunden später nahm der Raum den typischen Gamergeruch an, eine berauschende Mischung aus Achselschweiß und Pizzafett, billigem Rasierwasser, ungewaschenen Haaren, japanischen Jeans und Motorenöl.
So war die todschicke Zentrale der
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