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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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sechsunddreißig Stunden habe ich noch eine Sträflingsuniform getragen.«
    Einen Moment lang sah Lu ihn bloß an, dann stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Ist schon gut«, sagte er. »Gleicht geht’s los.« Er wischte den Ohrhörer am Ärmel ab und reichte ihn Matthew.
    »Hallo, Schwestern!«, erklang Jiandis vertraute Stimme. »Ich weiß, es ist noch ein bisschen früh, doch ich habe eine kurze und spezielle Sendung für die Glücklichen unter euch, die heute freihaben, krank sind oder es geschafft haben, Kopfhörer mit auf die Arbeit zu schmuggeln. Hallo, hallo, hallo. Sollen wir ein oder zwei Anrufe reinnehmen?«
    Lu grinste Matthew an, stand auf und verließ das Café. Matthews Hand zuckte zum Ohrhörer. Einen Moment erwog er, ihm zu folgen, dann entschied er sich dagegen. Kurz darauf sagte Jiandi: »Und schon geht’s los, hallo hallo.«
    »Hallo, Jiandi«, hörte er Lu. Matthew spähte durch die Lücke in den Zeitungen und sah einen grinsenden Lu, der draußen hinter dem Gebäude stand, Handy am Ohr.
    »Tank!«, quietschte sie. »Wie schön, mal wieder was von dir zu hören. Ist ja Ewigkeiten her, dass du in meiner Sendung warst! Los, sag schon, was beschäftigt dich heute?«
    »Gerechtigkeit«, sagte Lu. Matthew musste kichern und zog den Kopf ein, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Gerechtigkeit für die Arbeiter. Wir kommen hierher, weil es heißt, dass man hier reich wird. Stattdessen haben wir schlechte Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung, und alles ist zu unserem Nachteil. Keiner kriegt echte Papiere, also kaufen wir Fälschungen, und die Polizei weiß genau, dass sie uns dafür jederzeit verhaften oder nach Hause schicken kann. Unsere Bosse wissen es auch, also sperren sie uns ein, schlagen uns und stehlen unseren Lohn. Ich bin jetzt seit fünf Jahren hier und weiß, wie es läuft: Die Reichen werden immer reicher, und die Armen werden benutzt, ruiniert und wieder nach Hause geschickt. Die Regierung ist korrupt und nur an Bestechungsgeldern interessiert, nicht an Gerechtigkeit. Jedem Versuch der Arbeiter, etwas an ihrer Lage zu verbessern, wird mit Gewalt, ja mit Krieg begegnet. Die korrupten Wirtschaftsbosse kaufen korrupte Polizisten, die für eine korrupte Regierung arbeiten.
    Ich habe genug davon! Es wird Zeit, dass die Arbeiter sich organisieren. Alleine sind wir nichts – gemeinsam kann man uns nicht aufhalten. China hat so viele Umstürze erlebt, und immer noch ist der Reichtum in der Hand von wenigen, während die Mehrheit in Armut lebt. Es ist an der Zeit für eine weltweite Revolution: Alle Arbeiter in China, Indien, Amerika – auf der ganzen Welt – müssen gemeinsam kämpfen. Wir benutzen das Internet, denn damit kennen wir uns besser aus als unsere Bosse. Das Internet ist wie eine Gewerkschaft: chaotisch, weitläufig, ohne dass ein paar Leute allein die Entscheidungen treffen. Wir verstehen das. Unsere Bosse verstehen das Internet nur, wenn sie ihm ihre eigene Form geben und alle Klicks durch ein paar Flaschenhälse zwängen, die sie kontrollieren können. Wir lassen uns aber nicht kontrollieren. Man kann uns nicht aufhalten. Wir werden gewinnen!«
    Jiandi lachte ins Mikrophon, kehlig und sexy. »Ach, Tank! So ernst heute! Bei so großen Worten kommen wir uns ja wie kleine Kinder vor!
    Er hat aber recht, Schwestern, und das wisst ihr auch: Wir sorgen uns immer um unsere kleinen Probleme, unsere Bosse, die uns reinlegen oder ausnutzen, die Polizei, die uns jagt, unterwandert und ausspioniert, aber wir fragen uns nie warum , wofür das alles?« Sie holte tief Luft. »Wir fragen uns nie, was wir tun können.«
    Eine lange Stille trat ein. Matthew vergewisserte sich, dass er nach wie vor die Factory Girl Show hörte. Ein schwer zu beschreibendes Gefühl breitete sich in seiner Magengrube aus. Sie war, wer sie gesagt hatte. Kein Cop. Keine Spionin.
    Entweder das – oder es war alles eine riesige Falle, die Polizei betrieb seit Jahren diese Sendung und führte Millionen an der Nase herum, bloß dank dieser einen Insiderin. Es klang schon wie eine unglaublich schräge Idee. Allerdings war das Politbüro manchmal unglaublich schräg.
    »Bald werden wir wissen, was wir tun können. Seid unbesorgt, meine Schwestern! Hört weiter meine Sendung – schaltet heute Abend zur gewohnten Zeit wieder ein – , und schon sehr bald werden wir euch sagen, was ihr tun könnt. Nur noch ein wenig Geduld.
    Und ihr Polizisten, Bürokraten und Bosse dort draußen? Zieht euch besser warm

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