For the Win - Roman
nicht klar ist, dann bist du hier falsch. Vollkommen falsch. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Das war nicht mehr die Schwester Nor, mit der sie normalerweise zu tun hatten – die mütterliche, geduldige, verständnisvolle Nor. Ihre Stimme klang spröde und streng, ihr Blick drang einem durch Mark und Bein. Krang sank regelrecht in sich zusammen. »Na schön«, sagte er ohne viel Überzeugung. »Tut mir leid.« Justbob schämte sich ein wenig für ihn, aber sie empfand kein Mitleid. Er hätte es besser wissen müssen.
Schweigend beendeten sie das Essen. Zwischendurch klingelte Schwester Nors Handy. Sie warf einen knappen Blick darauf und legte es dann wieder hin. Es gab eine Regel: Keine Anrufe, wenn sie ein »Familienessen« hatten. Dennoch war Nor sichtlich erpicht darauf, den Anrufer zurückzurufen. Sie aß so schnell es mit ihrer verkrümmten Hand eben ging.
»Wer war es?«, fragte Justbob.
»China«, sagte sie. »Dringend. Unser Mann aus Amerika ist da.«
Ping mochte den Hafen nicht. Zu viel Polizei. Er hatte zwar gute Papiere, aber selbst die besten würden einer Überprüfung nicht lange standhalten, falls die Polizisten die Daten an die Zentrale durchgaben. Die Fälscher behaupteten zwar, dass sie nur Leute als Vorlage nahmen, die noch nie in irgendwelchen Schwierigkeiten gesteckt hatten, aber wer wusste schon, ob man ihnen trauen konnte?
Jedenfalls war es einfach verrückt. Laut Plan sollte der Gweilo warten, bis das Schiff sicher im Hafen lag. Dann sollte er sich frische Sachen anziehen, die ID vom Unternehmen seines Vaters anheften und einfach aus dem Hafen spazieren. Wenn irgendwer den weißen Jungen fragte, was er mit zwei schweren Kartons hier im Sicherheitsbereich trieb, sollte er ihnen die ID präsentieren. Sobald er aus dem Hafen war, konnte Ping ihn mitnehmen und im Gedränge der Ausländer, Händler und Geschäftsleute verschwinden lassen.
Ping hatte sich umgehört und einen Webbly gefunden, dessen Bruder letztes Jahr im Hafen gearbeitet hatte. So hatte er herausgefunden, wo der Gweilo wahrscheinlich rauskommen würde. Das hatte er alles auch Leonard gemailt, während der noch auf hoher See war.
Es war doch aber nicht normal, dass so viele Cops vor Ort waren, oder? Es kam ihm so vor, als wären es Hunderte, und nicht bloß Uniformierte. Es gab haufenweise große Männer mit Bürstenschnitt und Knopf im Ohr, die zwar wie Zivilisten gekleidet waren, sich aber viel zu koordiniert und zielgerichtet bewegten oder an Punkten mit besonders guter Sicht herumstanden. Zweimal ging Ping am Eingang vorbei. Einmal spielte er ein Streitgespräch am Handy vor, in der Hoffnung, beschäftigt und harmlos zu wirken. Das zweite Mal versteckte er sich wie ein Tourist hinter einem Stadtplan und versuchte, eine Aura der Hilflosigkeit auszustrahlen. Dazwischen sah er auf seine Uhr und stellte fest, dass Leonard schon eine Stunde zu spät dran war. Er fragte bei Lu nach, ob er Schwester Nor erreichen und rausfinden könne, ob alles in Ordnung sei. Der Satelliten-Uplink des Schiffs war im Hafen deaktiviert und Leonard damit offline. Sobald er aus dem Hafen raus war, würde er ein Prepaid-Handy bekommen, doch bis dahin …
Ping hätte fast seinen Stadtplan fallen lassen, als sein Handy klingelte. Ein riesiger Cop starrte finster zu ihm herüber, und Ping lächelte verlegen, versuchte, das Zittern seiner Hand zu verbergen, und hoffte, dass das Klingeln den Cop jetzt nicht pullte.
»Hast du ihn?« Schwester Nors Mandarin hatte einen starken Akzent. Er erkannte die Stimme sofort wieder, von zahlreichen Chats und Raids bis tief in die Nacht.
»Hi!«, rief er mit hoher, wackliger Stimme und versuchte es so klingen zu lassen, als redete er mit seiner Freundin oder Schwester. »Schön, von dir zu hören!«
»Du hast ihn noch nicht?«
»Genau!«, rief er und rang sich dem Sicherheitsmann zuliebe ein breites Lächeln ab.
»Scheiße. Er hätte schon vor Stunden da sein sollen.« Schwester Nor dachte kurz nach. »Okay, die Sache ist die: Egal, was mit ihm ist, wir brauchen die Kartons.« Sie fluchte in einer anderen Sprache. »Hätte er uns doch einfach nur die Kartons geschickt. Ich hab’s ihm gesagt, aber er wollte euch einfach so gerne mal sehen … « Sie verstummte.
»Okay!«, rief er, entfernte sich so beiläufig wie möglich von dem Cop und erspähte ein Fleckchen vor einem geschlossenen Supermarkt am Ende der Straße. Dort konnte er sich einen Moment hinsetzen und alles besprechen.
»Viele Cops in der
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