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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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auf Passbildern immer zu haben scheinen. Nach einem Mausklick wies der Junge auf die Tür. »Eine Stunde«, sagte er.
    Lu hielt Matthew die Tür auf und führte ihn die Feuertreppe hinab, zurück in den Elektroladen, hinaus auf die Straße, durch die Massen auf dem Schwarzmarkt und noch ein wenig weiter, bis zu einem überfüllen Nudelimbiss.
    Und dort war es auch, wo Matthew derart das Wasser im Mund zusammenlief, dass er sich die Mundwinkel heimlich mit dem Ärmel seiner billigen Baumwolljacke abtupfen musste.
    Kurz darauf tat er nichts anderes mehr als essen … und essen … und essen. Die erste Portion Teigtaschen war mit Schweinefleisch gefüllt, die zweite mit Rind, die dritte mit Garnelen. Danach verspeiste er ein paar Teigtaschen aus Shanghai, die mit Ente gefüllt waren. Er aß immer weiter. Sein Magen dehnte sich aus, und seine Jeans begann ihn zu zwicken, doch er knöpfte nur den obersten Knopf auf und aß noch mehr. Lu glotzte ihn nur sprachlos an und brachte ihm eine Portion nach der anderen, dazu Chilisoße und viele Servietten. Danach schrieb Lu ein paar SMS , und Matthew schaute gerade lange genug von seinem Essen auf, um zu merken, wie geistesabwesend und mit welcher Hingabe Lu seine Mitteilungen schrieb.
    »Wer ist sie?«, fragte Matthew, als er sich zurücklehnte, um es der letzten Essensschicht in seinem Magen bequemer zu machen.
    Lu zuckte zusammen und errötete. »Eine Freundin. Sie ist einfach toll. Sie hat das alles eingefädelt, weißt du … « Er deutete mit seinen Stäbchen vage in Richtung des Schwarzmarkts. »Sie … Ich weiß gar nicht, was ich ohne sie getan hätte. Nur dank ihr sitze ich jetzt nicht im Gefängnis.«
    Matthew lächelte schwach. »Mittlerweile wärst du wieder draußen.« Er zupfte an seinem schlabbrigen T-Shirt. »Vielleicht würdest du jetzt ein paar Nummern kleiner tragen.«
    Lu zeigte Matthew ein Foto auf seinem Handy. Sie sah wie der Inbegriff südchinesischer Weiblichkeit aus: modische Kleidung und Frisur, eine sorgfältig geschminkte doppelte Lidfalte, ein schalkhaftes Lächeln und eine Ahnung von … Macht? Als ob ihr die ganze Welt zu Füßen läge. Matthew nickte anerkennend. »Du Glücklicher«, sagte er.
    Lu senkte die Stimme. »Sie ist unglaublich«, flüsterte er. »Sie hat mir neue Papiere beschafft, meinen Handyvertrag annulliert, die Nummer gelöscht, einer neuen Identität zugewiesen und über eine Zentrale von«, er schaute sich dramatisch um und senkte die Stimme noch mehr, »von Falun Gong in Macao geleitet. Deshalb konntest du mich überhaupt anrufen. Es ist wirklich fantastisch: Ich stehe noch mit allen in Kontakt, aber über so viele Umwege, dass die zengfu keine Chance hat, mich zu finden.«
    »Wo hat sie denn so was gelernt?«, fragte Matthew skeptisch. Die Teigtaschen lagen wie Steine in seinem Magen. Er war völlig erschlagen. »Woher willst du wissen, dass sie nicht selbst zur Polizei gehört?«
    »Unmöglich«, sagte Lu. »Du wirst schon sehen, wieso, wenn wir sie treffen. Ich bin mir aber ganz sicher.«
    Doch Matthew wurde die Sorge nicht los, dass dieses Mädchen ihn zurück ins Arbeitslager bringen könnte. Im Arbeitslager war jeder ein Informant gewesen. Wenn man seine Mitgefangenen bespitzelte, bekam man mehr Essen, mehr Schlaf, leichtere Arbeit. Die besten Spitzel lebten wie kleine Bosse, und die anderen Gefangenen buhlten um ihre Gunst, als ginge es um die drei großen Währungen des freien Lebens – Glücksspiel, Golf und guten Sex – und nicht um die ärmlichen Gefälligkeiten des Lagerlebens. Matthew hatte seine Mitgefangenen nie verraten, und er war auch nie verraten worden. Er wählte seine Schlachten immer mit Bedacht und spielte kein Spiel, das er nicht gewinnen konnte.
    Und so war er wie betäubt, als er Jie kurz darauf kennenlernte. Sie hatte einen feinen Geruch, fantastische Umgangsformen und ein zauberhaftes Lächeln. Außerdem hatte sie seinen neuen Ausweis dabei, mit richtigem Bild, aber falschem Namen und gefälschter Nummer, und der Fingerabdruck auf der Rückseite war garantiert nicht sein eigener. Sie machten höflichen Smalltalk über Wetter und Essen, Fußball und Stars, und es war alles so unverfänglich und belanglos, dass ihn ihre perfekte Fassade nur noch misstrauischer machte.
    Jie brachte Lu und Matthew in ein kleines heruntergekommenes Haus im alten kantonesischen Teil der Stadt. In dieser »Stadt innerhalb der Stadt« war Matthew aufgewachsen, denn hier hatte man die Kantonesen zusammengepfercht, als

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